Elric von Melnibone
umbringen. Ich habe eine Idee. Gebt mir die Körper der Toten. Begrabt sie in meiner Erde.«
Elrics Herz machte einen Sprung. »Mehr wünschst du dir nicht?«
»Für mich wäre das viel.«
»Und dann läßt du uns weitersegeln?«
»Auf dem Wasser, aye«, brummte Grome. »Aber ich wüßte nicht, warum ich es zulassen sollte, daß ihr weiter über mein Land fahrt. Das wäre zuviel erwartet. Ihr könnt bis zu dem See dort hinten segeln, doch von dort an besitzt das Schiff nur noch die Eigenschaften, die mein Bruder Straasha ihm gegeben hat. Mein Reich soll es nicht mehr berühren.«
»Aber wir brauchen das Schiff, König Grome! Wir haben dringende Geschäfte. Wir müssen die Stadt dort erreichen.« Elric deutete in die Richtung, in der Dhoz-Kam lag.
»Ihr dürft bis zum See fahren, danach bewegt sich das Schiff nur noch auf dem Wasser. Und jetzt gebt mir, was ich haben will.«
Elric rief den Bootsmann zu sich, der zum erstenmal Erstaunen zeigte über die Szene, deren Zeuge er mit eigenen Augen geworden war.
»Bringt die drei Toten.«
Die Leichen wurden auf das Deck geschafft. Grome streckte eine seiner großen erdigen Hände aus und nahm sie an sich.
»Ich danke euch«, brummte er. »Lebt wohl.«
Und langsam begann Grome im Boden zu versinken; die mächtige Gestalt wurde Atom um Atom von der Erde absorbiert, bis sie ganz verschwunden war.
Gleich darauf setzte sich das Schiff langsam wieder in Bewegung - zur letzten kurzen Reise, die es auf dem Land machen würde.
»Und damit wären unsere Pläne zunichte«, sagte Elric.
Niedergeschlagen blickte Dyvim Tvar auf den schimmernden See. »Aye. Unsere schöne Strategie ist jetzt unmöglich. Ich sage das nur ungern, Elric, aber ich fürchte, wir müssen wieder auf Zaubermittel zurückgreifen, wenn wir uns überhaupt noch eine Chance ausrechnen wollen.«
Elric seufzte.
»Ich fürchte, du hast recht.«
8
DIE STADT UND DER SPIEGEL
Prinz Yyrkoon war zufrieden. Seine Pläne entwickelten sich wie vorgesehen. Er blickte durch die Schlitze der Balustrade, die das flache Dach seines Hauses umschloß (drei Etagen, und das beste in Dhoz-Kam), und betrachtete den Hafen und die großartige Flotte der Beuteschiffe. Jedes Schiff, das nach Dhoz-Kam gekommen war, ohne die Flagge einer mächtigen Nation zu führen, war mühelos in die eigene Flotte eingegliedert worden, nachdem die Besatzung in den großen Spiegel geschaut hatte, der auf seinen Säulen über der Stadt aufragte. Dämonen hatten diese Säulen gebaut, und Prinz Yyrkoon hatte sie für ihre Arbeit mit den Seelen all jener Oinier und Yutier bezahlt, die gegen ihn gewesen waren. Jetzt wollte er nur noch seinen Ehrgeiz befriedigen, dann konnten er und seine neuen Gefolgsleute die Reise nach Melnibone antreten.
Er wandte sich um und richtete das Wort an seine Schwester. Cymoril lag auf einer Holzbank, in den schmutzigen Fetzen des Kleides, das sie getragen hatte, als Yyrkoon sie aus ihrem Turm entführte. Sie starrte ausdruckslos zum Himmel.
»Schau dir unsere Flotte an, Cymoril! Während die goldenen Barken in alle Winde zerstreut sind, können wir ungehindert nach Imrryr segeln und die Stadt zu unserem Eigentum erklären. Elric kann sich gegen uns nicht mehr verteidigen. Er ist mir auf den Leim gegangen. Ein Dummkopf ist er! Und du warst ein Dummkopf, ihm deine Zuneigung zu schenken!«
Cymoril antwortete ihrem Bruder nicht. In den Monaten, die sie nun schon unterwegs waren, hatte Yyrkoon ihr stets Mittel ins Essen und in die Getränke getan und auf diese Weise eine Müdigkeit in ihr hervorgerufen, die an Elrics Erschöpfung erinnerte, wenn er keine Drogen genommen hatte. Zahlreiche Zauberversuche hatten auch bei Yyrkoon ihre Spuren hinterlassen - er wirkte ausgemergelt und irgendwie heruntergekommen; er achtete nicht mehr auf sein Äußeres. Cymoril sah abgezehrt und verängstigt aus, obwohl ihre Schönheit unbeeinträchtigt war. Es war, als hätte Dhoz-Kams abgewetzte Schäbigkeit unterschiedlich auf sie abgefärbt.
»Um deine Zukunft brauchst du dir aber keine Sorgen zu machen, Schwester«, fuhr Yyrkoon fort und lachte leise. »Du wirst trotzdem Herrscherin werden und neben dem Herrscher auf dem Rubinthron sitzen. Nur werde ich dieser Herrscher sein, und Elric wird viele Tage lang sterben, und sein Tod wird raffinierter erdacht sein als alles, was er mir zugedacht hatte.«
Cymorils Stimme klang hohl und tonlos. Sie wandte den Kopf beim Sprechen nicht zur Seite. »Du bist ja verrückt, Yyrkoon!«
»Verrückt?
Weitere Kostenlose Bücher