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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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hintereinander bestieg, tauchte der Ehemann auf. Er schrie nicht, er tobte nicht. Sehr höflich bat er Julie aufzustehen. Sie zog ihr Kleid an, stellte sich neben ihren Gatten und deutete auf mich: ›Chéri, er muss hier eingebrochen sein, ich kenne ihn gar nicht.‹
    ›Julie, lass uns einen Moment allein.‹
    Mit leichtem Schritt eilte sie davon.
    ›Und jetzt zu Ihnen‹, fuhr Julies Mann fort. ›Sie haben zehn Minuten Zeit, um mein Haus zu verlassen, und zwölf Stunden, um die Stadt zu verlassen. Wenn Ihnen irgendetwas an Ihrem Leben liegt, dann befolgen Sie besser meinen Rat.‹«
    Das Murmeltier zog an seiner Zigarre. »Das war Paris. Nicht einmal Mona Lisa habe ich lächeln sehen. Und jetzt Ohren zu!«
    Wir gehorchten.
    »Könnt ihr mich noch hören?«
    »Nein«, antworteten wir.
    »Wirklich nicht?«
    »Wirklich nicht.«
    Das Murmeltier sprach seinen Schlusssatz, begleitet von dem Flüstern dreier Kinderstimmen: »Verfluchte Schnallen! Verdammte Fotzen! Sie haben mir alles genommen. Alles.«
    Elsa stand auf und stellte sich vor ihn.
    »Murmeltier, kann ich dich was fragen?«
    »Ja.«
    »Und du sagst mir die Wahrheit?«
    »Natürlich.«
    Elsa trat von einem Bein auf das andere. »Sind… Sind alle Frauen verfluchte Schnallen und verdammte Fotzen? Bin ich auch eine… eine verdammte Fotze?«
    Das Murmeltier strich ihr übers Haar. »O nein, Elsa. Unter all den Schnallen und Fotzen gibt es ab und zu so etwas wie eine Königin. Ein außergewöhnliches Wesen. Selten wie eine Auster mit zwei Perlen. Und du, Elsa, bist so eine Königin. Du bist weit, weit über uns erhaben. Und jetzt, kleine Königin, bringe ich dich nach Hause. Lorenz, Karl, wollt ihr mit?«
    Das Murmeltier hob die stiefellose Elsa auf seine Schultern. Flankiert von Lorenz und mir, hoch über unseren Köpfen, sah sie wirklich majestätisch aus. Ihr Lächeln – nicht wie sonst nur ein kurzes Aufblitzen – begleitete uns durch die Nacht. Vor dem grünen Zaun setzte das Murmeltier sie ab.
    »Gute Nacht, kleine Königin«, sagte er und verbeugte sich.
    Auf dem Rückweg kam uns die Kratzlerin im Morgenmantel entgegengelaufen. »Herr Murmelstein, schnell, kommen Sie. Herzjesulein, Gott im Himmel. Schnell!«, keuchte sie.
    Das Haus war hell erleuchtet. Einige Feriengäste schauten aus den Fenstern, doch die meisten tummelten sich im Hof und blickten zur Koppel. Niemand sprach ein Wort, nur das ängstliche Quietschen der Tiere zerriss die Stille. Randolph Brauer stand mit einer Fackel in der Hand vor dem Stall, dessen Dach bereits brannte.
    »Frau Kratzler, löschen«, rief das Murmeltier und rannte Richtung Koppel.
    »Wasser!«, brüllte sie. »Eimer! Gartenschlauch!«
    Die Menge setzte sich in Bewegung.
    Das Murmeltier hatte den Stall erreicht, öffnete die Tür, und drei Ponys stürmten in die eingezäunte Freiheit. Sie galoppierten durch die Koppel, sprangen und reckten ihre Hälse. Jede ihrer Bewegungen schien zu sagen: Schaut her, wir sind noch einmal davongekommen.
    Während die Feriengäste unter dem Kommando der Kratzlerin das Feuer löschten, jagte mein Vater, die Fackel hoch erhoben, den Tieren hinterher.
    »Randolph, es ist vorbei.« Das Murmeltier schnitt ihm den Weg ab und packte ihn an der Schulter. Aber Randolph Brauer gab sich noch nicht geschlagen. Rannte weiter, schleifte das Murmeltier einfach mit sich.
    Ich musste an die Furien denken. Die Rachegöttinnen. Gab es auch Rachegötter?
    Ein Schrei. Das Murmeltier krümmte sich auf der Erde.
    Wir saßen in der hintersten Reihe im Bus. Elsa wechselte die Schuhe, ihre Clogs verschwanden in der Handtasche.
    Seit drei Tagen lag das Murmeltier im Krankenhaus. Bänderriss. Die Kratzlerin hatte uns Geld für die Fahrkarten und für einen Blumenstrauß gegeben.
    »Warum hast du ein Nachthemd an?«, fragte Lorenz Elsa in herablassendem Ton.
    »Das ist kein Nachthemd, Arschloch«, antwortete sie und strich über das weiße, kurze Trägerkleid.
    »Selber Arschloch, und ich kann deine Unterhose sehen.«
    Sie blickte an sich herunter. »Kannst du gar nicht!«
    »Kann ich doch!«
    Ihr gestriger Streit schien noch nicht vergessen: Wir hatten im See geplanscht. Mein Bruder hatte von unserem Hotel gesprochen, woraufhin Elsa ihm erklärte, es sei kein Hotel, sondern nur ein Haus mit ein paar ollen Zimmern. Das Wortgefecht führte zuerst zu einer harmlosen Rangelei und endete im Versuch, sich gegenseitig zu ertränken.
    Erst als Elsa, die Lorenz körperlich unterlegen war, einräumte, dass unser Haus fast

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