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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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anklopfen… Oh, Karl, hallo. Was… was gibt es denn, Elsa?«
    »Nichts, ich soll dir nur sagen, dass ich wieder da bin.«
    »Gut, gut… Ja«, antwortete er und hob seine Notizen auf.
    Elsa schloss die Tür.
    Obwohl es draußen noch hell war, musste man unten im Souterrain Licht anmachen. Die Fliesen waren fast vollständig von einem grünen Teppich mit blau-goldenen Ornamenten bedeckt. Wo man auch hinsah, türmten sich unzählige Kleidungsstücke. Das Doppelbett und vier massive Holzstühle waren fast gänzlich begraben unter der Stoffflut.
    Auf der weißen Kommode stand eine Ansammlung angebrochener Parfumflakons und Nagellacke in verschiedenen Rottönen.
    Nichts in diesem düsteren Raum erzählte, dass hier ein Kind lebte.
    »Welche Farbe gefällt dir am besten?«, fragte sie und deutete auf die Lackfläschchen.
    »Weiß nicht.« Für mich sahen sie alle gleich aus.
    »Ach Mann, Fetti, du musst auch mitspielen. Also, welche Farbe gefällt dir am besten?«
    Ich tippte wahllos auf ein Fläschchen. »Die hier.«
    »Gute Wahl.« Elsa räumte einen Stuhl frei, kniete sich davor und legte ihre Hände auf die Sitzfläche. »Nicht verschmieren. Verstanden? Gib dir Mühe.«
    »Aber du hast noch Lack drauf«, sagte ich und hockte mich neben sie.
    »Drüberpinseln, einfach drüberpinseln.«
    Zitternd machte ich mich ans Werk, während Elsa mich von der Seite anstarrte. »Fetti, deine Haare sind ja gekämmt.«
    Endlich hatte sie es bemerkt.
    »Ich bürste sie jeden Tag, aber schon lange, seit… Na ja, schon ’ne ganze Weile.«
    Als ich fertig war, betrachtete Elsa ihre Hände. »Ganz gut«, urteilte sie, obwohl nicht nur die Nägel, sondern stellenweise auch ihre Finger rot waren.
    »Und jetzt die Füße.« Elsa setzte sich auf den Stuhl und streckte mir ihre Beine entgegen.
    Die Krawatten sahen mitgenommen aus. Flecken säumten den bunten Stoff, und die Stiefel hatten ihn aufgerauht.
    »Magst du mein Kleid?«, fragte Elsa.
    »Du musst stillhalten.«
    »Ich beweg mich doch gar nicht. Also, magst du mein Kleid?«
    »Ja.«
    »Es ist doch ein Kleid, oder?«
    Ich nickte.
    »Ist von meiner Mutter. Als wir gepackt haben, hat sie mir alle Sachen geschenkt, die sie nicht mitnehmen wollte. Nur das Parfum habe ich geklaut. Eine Flasche, die anderen wollte sie auch nicht mehr…« Dann brach Elsas Stimme. Sie biss sich auf die Unterlippe. Ihr Körper bebte. Ein paar Tränen rannen über ihre Wangen, schnell wischte sie sie weg.
    »Es ist ein Kleid, oder? Ich hab doch ein Kleid an?«
    »Ja, Elsa. Du hast ein Kleid an.«
    Zwei Tage bevor das Murmeltier aus der Klinik zurückkam, weckte uns Randolph mitten in der Nacht. Mittlerweile hatten Wermut und Marillenschnaps auch Einzug in unser Haus gehalten. Manchmal trank Randolph schon morgens vor dem Frühstück. Er bemühte sich um Heimlichkeit, stellte sich aber so ungeschickt an, dass die Kratzlerin ihn ständig beim Saufen erwischte. »Es tut zu weh«, war seine ganze Verteidigung.
    Jetzt stand er neben meinem Bett. »Lorenz, Karl. Aufstehen. Ich brauche euch. Und leise.«
    »Papa, was ist…«
    »Schhh… Lorenz, du auch, komm.«
    Erst jetzt sah ich, dass mein Vater sein Gewehr über der Schulter trug.
    Vor Hannas Zeit hatten die Ponys und der Esel Namen. Aber Hanna zog es vor, die Ponys Ponys und den Esel Esel zu rufen. Und so hielten wir es auch.
    »Macht nicht so einen Krach«, mahnte unser Vater, als wir den Hof verließen. Aber nicht wir, sondern die Hufe der Tiere veranstalteten den Lärm.
    Lorenz und ich führten die braunen Ponys und unser Vater das schwarze. Nur der Strahl einer Taschenlampe erhellte den Bayerischen Wald. Obwohl wir Randolphs genauen Plan nicht kannten, erahnten Lorenz und ich seine Tragweite. Das Gewehr sprach Bände. Wir marschierten und marschierten. Schweigend. Vielleicht gab es doch kein Ziel? Vielleicht würden wir einfach immer weiterlaufen? Gerade als ich zu glauben begann, dass sich sechs Geschöpfe tatsächlich aufgemacht hatten, um das Ende der Welt zu erreichen, und ich Teil dieser unglückseligen Mission war, ertönte Randolphs Stimme: »Anhalten!«
    Wir befanden uns am Rand einer Schlucht. Direkt am Abhang hatte eine einzige Lärche ihre Wurzeln geschlagen. Im Gegensatz zu ihren Artverwandten, die dichtgedrängt beisammenstanden, schien jener einsame Baum eine Aufgabe zu haben – er bewachte den Abgrund.
    Ich leuchtete mit der Taschenlampe, während mein Vater und Lorenz die Tiere am Stamm der Lärche festbanden.
    Als drei Menschen einige Meter

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