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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Kinder möchten Andromeda sehen. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir sie mitnehmen?«
    »Nein.« Es klang wenig begeistert.
    Dann meldete sich Elsa zu Wort. »Wo sind die Bilder, Mrs.   Graham?«
    »Welche Bilder?«
    »Na, Ihre Bilder.«
    »Wo sollen sie sein, Mädchen? Eingelagert.«
    »Ich dachte immer, Bilder hängt man auf.«
    »Nicht in meinem Haus.«
    Die Weizenblonde brachte das Dessert, und Jaap übernahm wieder die Rolle des Alleinunterhalters.
    Noch bevor wir das Schokoladensoufflé verzehrt hatten, sah Irina auf ihre goldene Armbanduhr. »Ihr entschuldigt mich bitte. Ich bin müde. Gute Nacht.« Ihre Hand schloss sich um den Joystick, und mit einem leisen Surren fuhr sie davon.
    »Warum sitzt sie im Rollstuhl?«, fragte ich Jaap, als unsere Gastgeberin außer Sicht- und Hörweite war.
    »Das weiß niemand so genau. Kurz nachdem sie das Haus hier bezogen hat, sagte sie: ›Ich bin müde.‹ Und dann kam der Rollstuhl. So hat es mir Mirberg erzählt.«
    »Also kann sie laufen?«
    Jaap zuckte mit den Schultern. »Sie tut es jedenfalls nicht.«
    Am nächsten Morgen fuhren wir in aller Herrgottsfrühe zum St.-Petrus-Banden-Friedhof. Sieben van Dohls hatten bisher Unterschlupf in der Familiengruft gefunden, die rechts und links von grauen Engeln bewacht wurde.
    »Am Ende kehren sie alle nach Hause zurück«, sagte Jaap.
    »Wirst du da auch mal drinnen liegen?«
    »Ja, Elsa, eines Tages.«
    Unser Vater bewegte die Lippen, lautlos. In seinen Augen standen Tränen und Erwartungen.
    Sosehr ich mich auch bemühte, so intensiv ich die Gravur betrachtete, ich konnte die rötliche Marmorplatte nicht mit meiner Mutter in Verbindung bringen. Ich starrte einen Stein an – mehr war es nicht –, während die Minuten unerträglich langsam verrannen.
    »Wir müssen jetzt Mrs.   Graham abholen. Was ist mit dir, Randolph?«, setzte Jaap der Qual ein Ende.
    »Ich bleibe bei Hanna.«
    Irina Graham hatte ihren motorisierten Rollstuhl gegen ein einfaches, zusammenklappbares Modell getauscht. Das Gefährt kam in den Kofferraum, und Jaap hob die alte Dame auf den Beifahrersitz.
    Das Mauritshuis, früher das Stadtschloss eines Grafen, lag an einem kleinen See mitten in Den Haag und beherbergte zahlreiche berühmte Werke der Malerei des 17. und 18.   Jahrhunderts. Das einzige Museum, das ich zuvor betreten hatte, war das Heimatkundemuseum in unserer Nachbarstadt. Zwei ausgestopfte Uhus galten dort als Hauptattraktion.
    Obwohl das Mauritshuis über einen Aufzug verfügte, ließ sich Irina von Jaap die Treppen hochtragen, während Lorenz, Elsa und ich samt Rollstuhl zum Lift gingen. Es dauerte ein paar Minuten, bis er kam und wir einsteigen konnten.
    Oben schritten wir durch Räume mit hohen Decken. Bilder an den Wänden und in Vitrinen, grüne Samtpolster zum Ausruhen. Elsas Stiefel knallten auf dem dunklen Parkettboden.
    »Wo sind sie denn? Sie müssen doch schon hier oben sein.« Erschreckend laut hallte ihre Stimme, obwohl sie leise sprach.
    Es war früh und noch relativ leer, nur vor wenigen Bildern drängten sich bereits Leute.
    »Da, versuchen wir es da einmal.« Elsa deutete auf eine Menschentraube in der Nähe.
    Flankiert von Elsa und Lorenz schob ich den leeren Rollstuhl so nah wie möglich an das Gemälde heran und stellte mich auf die Zehenspitzen, um etwas zu erkennen.
    Eine Frau mit Perlenohrringen und einem blau-gelben Tuch auf dem Kopf sah mich direkt an. Das Schildchen neben dem Bild konnte ich aus der Entfernung nicht lesen.
    »Ist sie das?«, wollte Lorenz wissen.
    »Keine Ahnung, aber wo ist Mrs.   Graham?«
    »Lass uns den da fragen«, sagte Elsa, und wir folgten ihr zu einem uniformierten Aufseher.
    »Sprechen Sie Deutsch?«
    Er nickte.
    »Ist das Andromeda?« Elsa zeigte auf die eingerahmte Frau.
    »Das ist Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge . Was sucht ihr denn?«
    »Andromeda.«
    »Auch ein Vermeer?«
    »Ein Bild. Es ist ein Bild.«
    Er lächelte. »Nein, welcher Maler?«
    Sein Blick fiel auf den leeren Rollstuhl, wieder ein Lächeln. »Ah, Irina Graham«, sagte er. »Da geradeaus und hinten links.«
    Man hätte sie selbst für ein Ausstellungsstück halten können: die zierliche Greisin in den Armen ihres stämmigen Gärtners. Lebensgroß. Material: Fleisch und Blut.
    Jaap setzte Irina in den Rollstuhl und ließ uns allein mit ihr und Andromeda.
    Geradezu winzig war die mit Öl bemalte Holztafel: 34   Zentimeter hoch und 24,5   Zentimeter breit.
    Eine junge Frau, mit den Armen über dem Kopf an einen

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