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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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seufzte. »Und dann hat Frau Graham Rembrandts Andromeda an den Felsen gekettet gesehen.«
    »Und? Was dann?«, fragte Lorenz.
    »Dann ist sie nach Den Haag gezogen. Und seitdem verwaltet Sebastian Mirberg, ihr Berater und Assistent, die Sammlung.«
    »Wer ist Andromeda?«, wollte Elsa wissen.
    »Ihr könnt sie euch selber anschauen.«
    »Wo?«
    »Im Mauritshuis. Morgen… So, wir sind da.«
    Irina Grahams Domizil in Wassenaar, einer vornehmen Wohngegend etwas außerhalb von Den Haag, hätte es mit jedem Grandhotel aufnehmen können. Der englische Rasen wirkte wie ein endloser grüner See, auf dessen stiller Oberfläche Jaaps Häuschen die einzige Unregelmäßigkeit bildete. Wie schön musste es hier ausgesehen haben, als noch Teiche, Hecken und Bäume den Garten schmückten. Lorenz und ich drückten unsere Nasen gegen die Autoscheibe, als wir die Zufahrt entlangfuhren. Elsa war nicht beeindruckt, sie kannte solche Villen. Ich vergaß immer wieder, dass sie ein anderes Dasein geführt hatte, bevor Mathilde und Viktor sie bei den Gröhlers abgesetzt hatten. Macht man das nicht ständig? Außer Acht lassen, dass die Menschen, die in unser Leben treten, bereits ihre Geschichten, Wunden und Geheimnisse besitzen, die rein gar nichts mit uns zu tun haben?
    Die Hausherrin begrüßte uns in der Eingangshalle. Warum hatte Jaap die Jugendjahre ihrer Mutter geschildert, aber nicht erwähnt, dass Irina Graham im Rollstuhl saß? Vielleicht ist so etwas nebensächlich, aber es schürt doch die Neugier. Und man kann eine alte Frau bei der ersten Begegnung kaum fragen, ob sie einen Unfall hatte oder unter einer tödlichen Krankheit leidet.
    Mrs.   Grahams zierlicher Körper steckte in einem schwarzen, knielangen Kaschmirkleid, die Beine in schwarzen Nylonstrümpfen und die Füße in Stiefeln, die Elsas Lackteilen zum Verwechseln ähnlich sahen. Ihre grauen Haare waren zu einem strengen Dutt frisiert, was ausgezeichnet zu Irinas angsteinflößendem Gesichtsausdruck passte. Sie saß kerzengerade in dem motorisierten Rollstuhl.
    Jaap stellte uns vor. »Herrn Brauer kennen Sie ja bereits, und das sind seine Söhne Lorenz und Karl und ihre Freundin Elsa.«
    »Kinder…«, sagte sie in akzentfreiem Deutsch und musterte uns. »Ich habe nie welche gewollt. Herr Brauer, glauben Sie, dass eine Frau ohne Kinderwunsch überhaupt eine Frau ist?«
    Randolph zuckte zusammen. »Ich? Also… Ich meine, Sie… Sie sind eine Frau… Also…«
    »Genug«, unterbrach sie ihn. »Jaap, suchen Sie das Hausmädchen, damit es den Kindern ihre Zimmer zeigt. Und Sie und Herrn Brauer erwarte ich dann in einer Stunde zum Essen zurück.«
    Das Hausmädchen, eine stämmige junge Person mit weizenblonden Haaren, führte uns die Treppe hinauf. Sie trug einen von Elsas Koffern, ich den anderen, und Lorenz schleppte die Reisetasche, in der auch meine Klamotten steckten.
    Während die Blonde auf Holländisch vor sich hinplapperte, stupste Elsa mich an. »Wo sind die Bilder?«
    Erst jetzt fiel mir auf, dass die Wände nackt waren.
    »Vielleicht in den anderen Räumen, wir haben ja noch nicht alle gesehen.«
    Unsere drei Zimmer lagen nebeneinander im zweiten Stock.
    Beim Anblick des dicken weißen Teppichs, der den gesamten Fußboden bedeckte, überkam mich eine Art Schwindelgefühl. Wie um alles in der Welt sollte ich ihn überqueren, ohne ihn zu beschmutzen? Ich zog meine Schuhe aus, rannte auf Socken bis zum Bett und warf mich auf die Matratze, nur um festzustellen, dass ich in einem Meer aus hellem Satin gelandet war. Noch nie hatte ich mich so dreckig gefühlt wie in jenem Den Haager Schlafgemach.
    Dann ging die Tür auf: Lorenz samt halbleerer Reisetasche. Mit Schuhen und der größten Selbstverständlichkeit durchschritt er mein Zimmer, ließ die Tasche fallen und setzte sich neben mich.
    »Hast du auch so einen?« Ich deutete mit dem Fuß auf den Teppich.
    »So einen was?«, fragte Lorenz und ließ seinen Blick suchend über den Boden gleiten.
    Weder in der ersten noch in der zweiten Etage, weder in den Gängen noch in den Räumen im Erdgeschoss hing auch nur ein einziges Bild. Weiß die Wände, wie der ominöse Teppich.
    Während des Essens bestritt Onkel Jaap fast die gesamte Konversation allein.
    »Ich brauche Sie morgen«, unterbrach die Hausherrin ihn mitten im Satz. »Mirberg kommt erst abends zurück.«
    Er nickte. »Ist Vera auch in Düsseldorf?«
    »Was kümmert’s mich«, zischte Irina.
    Onkel Jaap lächelte verlegen und wechselte das Thema. »Die

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