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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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nach Vergänglichkeit.«
    »Tun wir das?«
    »Wie oft habe ich dich sagen hören, dass du Andromedas Fesseln durchschneiden willst? Wäre das nicht die Aufhebung, ja die Zerstörung der Ewigkeit?«
    Schlagartig kippte Irinas Stimmung. »Vorsicht, Mirberg.« Es klang bedrohlich.
    »Damit will ich doch nicht Andromedas…«
    »Genug. Genug.«
    Einen Moment lang war nur das Klappern unserer Suppenlöffel zu hören.
    »Entschuldige, ich…«
    Ihre Gesichtszüge entspannten sich wieder. »Wir wollten doch die großen Worte für heute ruhen lassen. Also, Mirberg, erzähl uns von deiner Performance-Künstlerin. Gab es tote Hasen?«
    »Nein, aber ein lebendes Schaf«, antwortete Vera.
    »So? Ein Schaf, und was…« Obwohl Vera gesprochen hatte, sah Mrs.   Graham Sebastian an.
    Wieder war Vera schneller. »Sie hat es geschoren, anschließend ihre Kleider ausgezogen und sich in der Wolle gewälzt.«
    »So wie du es erzählst, klingt es vollkommen idiotisch«, hielt ihr Sebastian vor. »Außerdem zeichnet sie.«
    »Mit Schafscheiße«, sagte Vera sehr leise.
    »Mirberg, wie alt ist die begabte Künstlerin?«, fragte Mrs.   Graham.
    »Zwanzig.«
    »Haarfarbe?«
    »Braun.«
    »Augenfarbe?«
    »Grün.«
    Irina lachte. »Und ich nehme an, sie ist hübsch, deine kleine Zeichnerin.«
    Vera warf den Löffel mit solch einer Wucht in den Teller, dass es laut schepperte und die Fischbrühe auf das weiße Tischtuch schwappte. Sie sprang auf, der Stuhl kippte um und knallte zu Boden.
    »Ja genau, Vera, renn hoch und dröhn dich zu. Dröhn dich zu«, rief Mirberg ihr hinterher.
    Ich lag in dem holländischen Bett und konnte nicht schlafen. Fischsuppe, Schweinebäckchen, Mousse au Chocolat und ein halbes Kilo Buttergebäck rumorten in meinem Magen.
    Eine Weile versuchte ich, einfach ruhig zu atmen, doch die Vorstellung, das Gemisch aus Zucker, Fett, Tieren zu Land und zu Wasser könnte auf dem weißen Teppichboden enden, zwang mich aufzustehen.
    Die Toilette befand sich genau neben Elsas Zimmer, und bei ihr brannte noch Licht. Ich wollte nicht, dass sie mich kotzen hörte, also lief ich weiter. Auf dem Flur parallel zu unserem gab es noch ein zweites Badezimmer.
    Ich riss die Tür auf, den rötlichen Schein einer kugelförmigen Lampe hatte ich von draußen nicht bemerkt. In der freistehenden Wanne lag Vera Mirberg. Es war zu spät für eine Planänderung. Ich konnte gerade noch »Tut mir leid« stammeln, stürzte zur Toilette und erbrach mich. Während das Abendessen, durchtränkt von Magensäure, in die Schüssel platschte, schämte ich mich zu Tode. Endlich war es vorbei. Ich drückte auf die Spülung.
    »Tut mir leid«, sagte ich noch einmal und wollte schleunigst davoneilen.
    »Warte, Junge. Bleib ein bisschen bei mir. Bitte«, fügte sie hinzu. Dieses ›Bitte‹ klang so traurig, dass ich meine Scham überwand und gehorchte.
    Kein Schaum bedeckte Veras Körper, der in dem rötlichen Licht geradezu unwirklich glänzte. Ich wusste weder wo ich hingucken, noch wo ich mich hinsetzen sollte.
    »Hol dir den Hocker da hinten, schmeiß das Kleid einfach runter«, sagte sie.
    Ich faltete das Seidenkleid und legte es auf den Boden.
    Der Hocker, ein Ungetüm aus schwarzem Marmor, ließ sich nicht tragen, sondern nur schieben. Es ruckelte und quietschte. Als ich das Steinmöbel neben der Wanne platziert hatte, saß Vera aufrecht da, ihre Brüste schwebten über der Wasseroberfläche. Ich versuchte, mir Veras Busen an Elsas dürrem Oberkörper vorzustellen, konnte die beiden Elemente jedoch nicht zusammenbringen.
    Vera griff auf die andere Seite der Badewanne. Ein silbernes Röhrchen. Ein rechteckiger Spiegel. Sechs feine, weiße Linien.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Medizin… Du heißt Karl, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Wie alt bist du?«
    »Neun, fast zehn. Und du?«
    »Neunundzwanzig, aber ich fühle mich wie hundert. Es ist lieb von dir, Karl, dass du mir Gesellschaft leistest. Ich bin nicht gerne allein. Bist du gerne allein?«
    »Nein.«
    »Weißt du, ich habe schon oft versucht, Sebastian zu verlassen. Ich dachte, wenn es nur schlimm genug wird, schaffe ich es… Manchmal war es unerträglich schlimm oder vielmehr ist es unerträglich schlimm, und trotzdem bin ich noch hier. Er war nicht immer so… Doch, wahrscheinlich schon.«
    Vera betrachtete das silberne Röhrchen und beugte sich über den Spiegel. Drei Linien verschwanden im rechten Nasenloch, drei im linken.
    »Es ist interessant zu sehen, was ein bisschen Macht aus Menschen

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