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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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malen wollen? Man kann die Ewigkeit nicht malen.«
    »Mrs.   Graham hat das doch gestern gesagt, dass die Kunst die Ewigkeit sein soll. Damit ein Moment für immer ist. Aber die Ewigkeit ist alles zusammen. Alle Momente zusammen«, sagte Lorenz.
    »Ich glaube, du hast da was falsch verstanden.«
    »Nein«, beharrte Lorenz. »Ich weiß, was die Ewigkeit ist… Ich… Ich weiß, wie sie aussieht.«
    »Amen.« Mirberg lachte.
    Lorenz ballte eine Faust. Ich sah, wie sein Hals anschwoll. Es war jetzt an mir, die Situation nicht außer Kontrolle geraten zu lassen.
    »Was machst du eigentlich so genau?«, fragte ich Sebastian und versuchte, möglichst aufsässig zu klingen, damit mein Bruder spürte, dass ich auf seiner Seite stand.
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, dein Beruf.«
    Wir erfuhren, dass Mrs.   Grahams Sammlung fast neunhundert Werke umfasste. Sie lagerten in drei Depots, in Atlanta, Frankfurt am Main und Florenz. Regelmäßig wurden einige der Bilder auf Reisen geschickt und ausgestellt. Manche hingen sogar als Leihgaben in Museen. Mirberg sorgte dafür, dass der ganze Prozess – die Gemälde mussten verpackt, versichert und transportiert werden – reibungslos vonstatten ging. »Vielleicht werden wir eines Tages ein Museum errichten, einen Ort, an dem Irinas Sammlung permanent zu sehen sein wird.« Außerdem hielt er, wie er es nannte, »die Sammlung lebendig«. Das bedeutete Kaufen, ab und zu auch Verkaufen, aber vor allem Entdecken. »Heute in den jungen Künstler investieren, der morgen einer der Großen sein wird«, schloss er seine Rede.
    »Und was ist mit dem Regenwald?«, fragte ich.
    »Was soll mit dem Regenwald sein?«
    »Hast du vor, ihn zu retten?«
    »Ich kann dir nicht folgen, Karl. Warum…«
    »Magst du den Regenwald?«
    »Ob ich…«
    »Ob du ihn magst?«
    »Ja, ich mag den Regenwald.«
    »Und warum rettest du ihn dann nicht?«
    »Es reicht. Ich will in Ruhe meine Zeitung lesen, o.   k.?« Er griff nach dem bedruckten Papier und verschwand wieder dahinter. Lorenz’ Finger hatten sich entspannt.
    Ich war nicht traurig, als wir zwei Wochen später Den Haag verließen und in die Oberpfalz zurückfuhren.
    Von Köln bis Regensburg hatten wir ein Sechser-Abteil für uns. Ich betrachtete meine Mitreisenden, und Mirbergs Worte schossen mir durch den Kopf. Worte, die nicht für meine Ohren bestimmt gewesen waren.
    Zwei Tage vor unserer Abreise war der Düsseldorfer Galerist Martin Frenzen zu Besuch gekommen. Seine schwarzen, kurzen Locken waren mit Grau durchzogen. Er hatte auffallend dicke und bläuliche Tränensäcke.
    »Da sind Mäuse drinnen«, sagte er, als Elsa unverhohlen die Polster unter seinen Augen anstarrte.
    »Darf ich mal anfassen?«, fragte sie und streckte ihren Zeigefinger aus.
    Er lachte, während Elsa in seinem Gesicht herumpatschte.
    »Sie hätten Kindergärtner werden sollen, Frenzen«, bemerkte Irina spöttisch. Augenblicklich wandte der Galerist sich von Elsa ab.
    Zwischen Hauptgang und Dessert zeigte er Mrs.   Graham Fotografien der Werke eines schottischen Künstlers, seiner jüngsten Entdeckung. Irinas Urteil war vernichtend. Ihre barsche Kritik drückte auf die Stimmung, und ich glaube, alle waren erleichtert, als die Tafel aufgehoben wurde.
    In jener Nacht trieb mich nicht die Übelkeit, sondern der Hunger aus dem Bett. Ich schlich die Treppen hinunter. Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer. Ich blieb stehen, verborgen in der Dunkelheit.
    »…ich nenne sie die Frankensteins«, sagte Sebastian schmunzelnd.
    »Die Frankensteins?«
    »Ja, sie sind zum Fürchten. Er verbringt seine gesamte Zeit auf dem Friedhof und redet ausschließlich über seine tote Frau. Das Mädchen sieht aus, als würde es geradewegs vom Kinderstrich kommen. Der hübsche Junge scheint irgendwie religiös zu sein und der dicke ein militanter Naturschützer.«
    Frenzen brach in schallendes Gelächter aus. »Herrlich, Mirberg, herrlich!«
    Randolph starrte aus dem Zugfenster. Unser armer Vater, der einfach nicht begreifen konnte, dass Hanna fort war.
    Lorenz hielt seine Augen geschlossen. Schlief mein Bruder? Wie falsch hatte Mirberg ihn doch verstanden. Nichts Gottesfürchtiges lag in Lorenz’ Überlegung, der Ewigkeit eine Form verpassen zu wollen. Auch meinen wohlgemeinten Rat hatte Sebastian fehlgedeutet und aus mir einen grünen Aktivisten gemacht.
    Dann schaute ich Elsa an. Sie spielte mit ihrer Kette. Steckte den Hundewolfskopf in den Mund, spuckte ihn wieder aus. Wo waren wohl ihre Gedanken? Zwar

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