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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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hörten.
    »Wie hat er…?«
    Meine Frage drang nicht durch. Aufgekratzt redeten mein Bruder und sie gleichzeitig auf mich ein. Ich verstand kein Wort.
    »Komm bald wieder«, sagte Lorenz schließlich zu mir und legte auf.
    Eine Sekunde später klingelte das Telefon erneut.
    »Ich will mit Brauer schlafen.«
    »Mach das, Vera.«
    »Ist er tot?«, fragte Mrs.   Graham, als ich ihr die Nachricht von Mirbergs Selbstmordversuch überbrachte.
    »Nein.«
    »Schade. Es wäre eines der zwei möglichen Enden unserer hübschen Geschichte gewesen.«
    »Was soll das heißen?«
    Irina sah mir direkt in die Augen. »Was für einen Grund hätte ich, weiterzumachen, wenn Mirberg nicht mehr ist? Ich bin müde.«
    »Aber Sie… Sie müssen doch gar nichts mehr machen. 120   000   Dollar, die Presse liebt Brauer, es ist doch schon… Es funktioniert.«
    Einen Moment war es still.
    »Und das andere mögliche Ende?«
    »Junge«, stieß Irina fast mitleidig hervor.
    Veras Stimme dröhnte in meinen Ohren. ›Dann lassen wir ihn ein wildes Leben führen.‹ Ich sprang auf, der Holzstuhl fiel zu Boden. »Warum erschießen Sie ihn nicht einfach? He? Dann können Sie sich auch noch ein schönes Datum aussuchen.«
    »Du redest Unsinn. Wir sind doch keine Ungeheuer. Und deine Entrüstung verstehe ich überhaupt nicht, Karl. Haben wir es nicht klar formuliert: eine Wette auf Leben und Tod?«
    »Aber woher soll man noch wissen, was wahr ist und was nicht? Sie haben auch gesagt, dass Brauer Ihre Liebe zur Kunst neu entfacht hat.«
    »Genug. Genug. Heb den Stuhl auf. Kapitel 16, ›Population und Verbreitung der Graugans‹.«
    Ich griff nach der Lehne, hielt dann aber inne. »Mrs.   Graham, wer ist auf die Idee mit dem Porsche gekommen?«
    »Mit dem…? Vera. Setz dich hin. Kapitel 16!«
    Das Wasser verlor seine magische Kraft. Der Angst wuchsen Schwimmhäute. Kein Schaum bedeckte meinen Körper, und Irinas Hände, Veras Hände zerfleischten meinen Bruder, zerrissen ihn.
    Im Morgengrauen, immer im Morgengrauen starb er neben mir in der Badewanne, begleitet von zwei Frauenstimmen:
    ›Dann lassen wir ihn ein wildes Leben führen.‹
    ›Wir sind doch keine Ungeheuer.‹
    ›Dann lassen wir ihn ein wildes Leben führen.‹
    ›Wir sind doch keine Ungeheuer.‹
    Acht Mal begegnete ich der aufgehenden Sonne, den leblosen Körper meines Bruders im Arm haltend. Ich war kurz davor, durchzudrehen.
    Der Pförtner grüßte und ließ mich passieren. Die Eisentür war nicht verriegelt.
    Wasser bedeckte die Sterblichkeit . Grünlich, fast braun. Ich hatte das Gefühl, von oben direkt auf unseren Stausee zu blicken. Unter der leicht zitternden Oberfläche schwamm der Schatten eines Kindes. Erschreckend lebendig.
    Die schwere Tür fiel hinter mir ins Schloss.
    »Karl!«
    Sie saßen auf einem ausgebreiteten Bärenfell, umzingelt von leeren Champagnerflaschen. Ein Toast auf Mirberg. Veras Haare tropften. Nur ein Handtuch bedeckte ihren Körper. Lorenz’ Hand glitt über ihre adligen Beine, während sie die Medizin präparierte.
    »Komm her«, rief mein Bruder, ließ Veras Schenkel los und breitete seine Arme aus.
    Ich drückte ihn an mich, zerquetschte ihn fast. Eine Umarmung, die acht Tode im Morgengrauen vergessen machen musste.
    Das Bärenfell war warm. Ein Eiland im steinernen Meer.
    Ich deutete auf das Bild. »Der Stausee.«
    Lorenz nickte. »Es ist die Stille . Du tauchst unter, und die Welt verstummt.«
    Vera reichte mir den Spiegel und einen gerollten Geldschein. »Du hättest dich von Mrs.   Graham verabschieden sollen«, sagte sie.
    »Wie bitte?«
    »Irina ist wütend. Du bist einfach gefahren, ohne ein Wort.«
    »Hast du mit ihr gesprochen?«
    »Ich telefoniere oft mit ihr.«
    »So? Das hat sie nie erwähnt. Wann denn?« In Mrs.   Grahams Schlafzimmer hatte ich kein Telefon bemerkt.
    »Ist das ein Verhör?«
    »Nein.« Ich schnupfte das Kokain, gab Vera den Spiegel zurück. Sie reichte ihn an meinen Bruder weiter.
    »Lorenz!«, stieß ich vorwurfsvoll aus.
    »Was?« Er lachte.
    »Karl, du bist ein elender Hypokrit. Gratulier deinem Bruder lieber. Wir sind verlobt.«
    Beide streckten ihre linke Hand aus. Die silbernen Ringe erinnerten an Stacheldraht.
    »Seit wann?«
    »Seit vier Tagen.«
    »Und wann wird geheiratet?«
    »Ende April, eine Woche bevor die zweite Lizenz versteigert wird«, sagte Vera.
    Einige der Räume oben waren wohnlich eingerichtet. Einen davon bekam ich für die Dauer meines Aufenthaltes.
    Ich behielt Vera im Auge, versuchte

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