Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
blickten aus dem hellhäutigen Gesicht eines nur knapp über Zwanzigjährigen. Die Züge befanden sich noch in der Phase der Ausprägung, die Wangen leicht rundlich. Das kantige Kinn jedoch schien einen Hinweis darauf zu geben, in welche Richtung die Entwicklung der jugendlichen Physiognomie sich wenden würde. Der junge Mann hob den Kopf und sah sie an. Sein Blick war ruhig.
"Frau Sleyvorn, mein Name ist Robin Dungslear."
Der Akzent, den sie bei seinen ersten Worten kaum wahrgenommen hatte, war nun unüberhörbar. Schottisch wahrscheinlich, oder irisch. Doch die deutsche Sprache beherrschte er schon seit vielen Jahren.
"Was hast du mir mitzuteilen?" fragte Elisa ihn ohne große Umschweife.
"Wir sind bereits seit einer Weile hier", erwiderte Robin. "Und uns scheint, dass zwischen Ihnen und dem Mann, der seit etwa zwei Wochen unter den Klippen wohnt, keine Kontaktaufnahme erfolgt ist. Doch Sie wissen, wer er ist, nicht wahr?"
"Wie sollte ich es nicht wissen?" gab Elisa zurück. "Ich habe stets ein Auge auf ihn."
Robin lächelte leicht. Er besaß eine durchaus liebenswürdige Ausstrahlung. Elisa wunderte sich, keine Kälte bei ihm zu spüren. Konnte es tatsächlich sein, dass sie einen noch unverdorbenen Jungen vor sich hatte?
"Die Familie, in der er aufwuchs, hieß Adlam", erklärte der junge Mann. "Es waren Briten, reiche Pferdezüchter. Sie gaben ihm den Namen Robert. Er verwendet diesen Namen auch heute noch, obwohl er offenkundig weiß, wohin er wirklich gehört."
Elisa hob die Brauen. "So? Wohin gehört er denn?" fragte sie unterkühlt. "Die Tatsache, dass ich ihn erkannt habe, bedeutet nicht, dass ich ihn als mein Fleisch und Blut ansehe."
Robin ließ sich durch ihre frostigen Worte nicht aus dem Konzept bringen. "Mein Herr möchte Sie bitten, mit Robert Adlam ein Gespräch zu führen", sagte er in höflichem Ton.
"Ich habe deinen Herrn seit wirklich vielen Jahren nicht mehr gesehen", gab Elisa sogleich zurück. "Warum unterbreitet er mir seine Bitte nicht persönlich?"
"Verzeiht", sagte Robin sanft und senkte leicht den Kopf.
Rührend, dieser Knabe, dachte Elisa bei sich. Er konnte nicht viel über den Mann wissen, den er auf so altmodische Weise bewundernd seinen Herrn nannte. Und ihm war offensichtlich auch nur wenig über seine derzeitige Gesprächspartnerin bekannt. Vielleicht fühlte Robin Dungslear sich eingebunden in ein geheimnisvolles Märchenspiel, mit ihm selbst in der Rolle des getreuen Schülers eines machtvollen, alten Zauberers. Dieser letzte Gedanke amüsierte Elisa ein wenig, erinnerte er sie doch an die träumerischen Jahre einer längst vergangenen Jugend.
"Was ist nun der Grund, warum er nicht selbst hier erscheint?" fragte sie im nächsten Moment unbeirrt weiter. "Versteckt er sich vor mir - oder vor seiner Brut?"
"Robert Adlam weiß nicht, dass er hier ist", antwortete Robin. "Um genau zu sein, weiß er nicht einmal, dass mein Herr noch lebt. Und er soll es auch nicht erfahren."
Elisa bewegte leicht den Kopf hin und her. Sie wusste nicht, was in all den langen Jahren vor sich gegangen war, sie hatte niemals Nachricht erhalten - und auch keine erwartet oder gewünscht. Und was auch immer dies nun für ein Katz-und-Maus-Spiel sein sollte, sie hätte es zu schätzen gewusst, würde es nicht unbedingt vor ihrer Nase stattfinden.
"Also hält er sich vor ihm versteckt", stellte Elisa nüchtern fest. "Gehe ich recht in der Annahme, dass das Verhältnis zwischen den beiden getrübt ist?"
"Wohl ja", war Robins Antwort, während er den Blick von ihr wandte und in das Licht der Fackel sah, die er in einen Felsspalt am Boden gesteckt hatte. "Mein Herr bat mich zumindest, Ihnen Folgendes zu sagen...", er zögerte kurz, dann fanden seine Augen zurück zu Elisas Gesicht. "Laden Sie Robert Adlam zu einem Gespräch ein. Und überzeugen Sie ihn davon, fortzugehen. Teilen Sie ihm mit, dass er nicht mehr länger in der Nähe Ihrer Familie erwünscht ist."
Elisa war erstaunt über diese merkwürdige Bitte, doch wollte sie nicht wirklich wissen, was dahinter steckte. Eines schien ihr jedoch so gut wie sicher: dass dies nicht das einzige Gesuch an sie bleiben würde. Es war gut möglich, dass die Einlösung eines alten Versprechens recht bald auf sie wartete.
"Ich werde sehen, was sich in der Sache machen lässt", sagte Elisa. "Ich lege keinen gesteigerten Wert auf die Anwesenheit von ähm...", sie räusperte sich, "Herrn Adlam. Doch ist der Mann frei in seinen Entscheidungen. Und seine
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