Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
und schluckte kräftig. Der Becher wurde entfernt, doch Tropfen der Flüssigkeit rannen über ihr Kinn.
Clara schloss fest die Augen, kämpfte mit ihrem Mageninhalt. Sie hasste es, sich übergeben zu müssen. Es war widerlich und demütigend. Die Geräusche aus ihrem Magen und der Kehle schienen ihr Ekel erregend. Sie kämpfte mit all ihrer noch verbliebenen Kraft und blieb am Ende Sieger über den Brechreiz.
Etwas berührte ihre Stirn, doch es wurde kein Wort gesprochen. War es Lore, die Dienstmagd, die an Claras Bett stand? Oder hatte Heinrich nochmals nach dem Arzt gerufen, der bereits zuvor mit unübersehbar ratlosem Gesicht seine Medizin verordnet hatte? War Heinrich im Raum?
Zum zweiten Mal hob sie die schweren Lider. Die Augen brauchten so lange, um den Dienst aufzunehmen, dass sie schon befürchtete, sie sei dabei, zu erblinden. Doch irgendwann verfestigten sich die verschwommenen Farben zu Formen. Im gelblich flackernden Licht erkannte sie das Stuckfries an der Decke. Im nächsten Moment durchfuhr sie ein kalter Fieberschauer, ihr Körper zitterte so heftig, dass die Zähne klappernd aufeinander schlugen.
Danach dauerte es eine Weile, sich wieder zu sammeln, um den Kopf ein wenig zur Seite zu drehen. Sie sah Rot auf dem Ärmel ihres Nachthemdes. Dunkles Rot, feucht und fleckig. Blutete sie? Sie hob die Augen, um zu sehen, wer dort am Rand ihres Bettes stand. Verschwommen kam ihr in den Sinn, dass sie Heinrich von der alten Zigeunerin reden gehört hatte. Das war vor vielen Stunden gewesen. Vielleicht war auch schon ein ganzer Tag vergangen. Sie hasste bereits jetzt den Gedanken, die weißhaarige Hexe an ihrem Krankenbett vorzufinden. Ihr elender Zustand würde der alten Sleyvorn mit Sicherheit großes Vergnügen bereiten.
Doch ihre Befürchtung bewahrheitete sich nicht.
Es war ein ihr fremder Mann und sein dunkler Blick fuhr ihr ins Mark. Plötzlich wurde sie von purer Angst ergriffen, als seien ihre Albträume mit der Wirklichkeit verschmolzen. Sie sah, dass sich seine Lippen bewegten. Leise Worte kamen hervor, fremde Worte mit hartem Klang. Es schien Clara, als könne sie jede Silbe körperlich spüren, feine Nadelstiche, überall auf ihrem Körper. Ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch nur ein trockenes Krächzen entrang sich ihrer Kehle. Wie erstarrt war ihr Körper, mit unsichtbaren Seilen an das Bett gefesselt. Den Blick von seinen dunklen Augen zu lösen war ihr unmöglich, so sehr sie auch innerlich darum kämpfte.
Dies war ihr Tod! Dieser Dämon würde sie direkt in die Hölle reißen!
Schweißperlen rannen über ihre Stirn, sie war ein zitterndes Tier in der Falle. Der Rhythmus seiner Worte wurde schneller, sie prasselten wie ein Trommelfeuer von kaltem Hagel auf ihre Haut. Und seine Miene war regungslos, als nehme er ihren Schmerz und die namenlose Angst nicht wahr. Clara fühlte, wie ihr die Tränen kamen. Nein, sie wollte nicht weinen! Seit Jahrzehnten hatte sie keine einzige Träne mehr vergossen, Heulerei war ihr verhasst. Noch mehr verhasst, als sich zu übergeben.
Doch dann hörte sie sich selbst schluchzen und spürte die Feuchtigkeit auf den Wangen. Die Sicht verschwamm und für Sekunden schützte sie ein Schleier von Tränen vor seinem Blick. Der Mann verstummte abrupt, die feinen Stiche auf ihrem Körper hörten im selben Moment auf. Der zuvor erstickte Schrei brach mit Urgewalt aus Claras Kehle, ein ohrenbetäubendes Kreischen erfüllt von Horror. Noch während sie schrie, setzte sie sich auf, warf die Bettdecke von sich und schwang die Beine aus dem Bett: Fliehen wollte sie, ihrem Peiniger entkommen.
Die schwachen Muskeln trugen den Körper nicht. Sie sackte neben dem Bett zusammen, blieb auf der Seite liegen und wand sich dort vor blindem Entsetzen. Die Tür zum Zimmer wurde aufgerissen und Heinrich stolperte herein. Clara sah, wie seine Schuhe über den Teppich zu ihr sausten.
"Clara", rief er mit einer Stimme, aus der Entsetzen zu hören war. Seine Arme griffen unter ihre Achseln und er hievte ihren schweren Körper vor Anstrengung keuchend auf den Bettrand. "Clara", rief er abermals, mit beiden Händen nun ihre Arme haltend, damit sie nicht nach hinten wegsackte.
"Ist er... ist er... weg?" brachte sie unter großer Anstrengung hervor. "Hol... hol sofort die Polizei!“
"Clara", sagte Heinrich und schaute in ihr Gesicht. "Du blutest. Da ist überall Blut."
Sie konnte nicht mehr antworten, die wieder aufkommenden Tränen erstickten ihre Stimme. Auf dem Gesicht
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