Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
ihres Mannes erschien eine tiefe Zornesfalte. Er ließ Claras Arme los und stand aus seiner Hockstellung auf. Sie hatte etwas Mühe, sich weiter aufrecht zu halten, doch es gelang ihr, nicht hintenüber zu kippen. Mit den Händen wischte sie sich durch die Augen, dann blickte sie sich suchend um.
Der fremde Mann befand sich noch immer im Zimmer, musste sie erschreckt feststellen. Heinrich hatte sich vor ihm aufgebaut mit zornig erhobenen Fäusten, die er vor dem Gesicht seines Gegenübers tanzen ließ. "Was verdammt nochmal treiben Sie?" donnerte er los. "Ich habe Sie nicht hergeholt, damit Sie sie umbringen! "
Clara stützte sich mit den Armen auf, ihre Finger krallten sich in die Bettdecke. Sie spürte eine merkwürdige Wärme ihren Körper durchströmen. Angenehm kribbelnd verteilte sie sich vom Herzen ausgehend bis in die Zehenspitzen. Das Zittern ebbte langsam ab.
Der Fremde wich keinen Schritt zurück. Clara erkannte jetzt erst mit Erstaunen, wie jung dieser Mann war, wohl nicht einmal halb so alt wie sie selbst. Und mit Sicherheit war er keine irreale Kreatur, die ihren Albträumen entronnen war, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber sein Anblick verursachte ihr nichts als Unbehagen, als krampfe sich in ihr etwas schmerzhaft zusammen.
Der Mann erwiderte mit unbewegter Stimme: "Lassen Sie das. Das bringt nur Schwierigkeiten."
"Ja", grollte Heinrich aufgebracht, "für Sie!"
Clara hatte ihren Mann in dreißig Jahren Ehe selten in solch einer Wut gesehen. Heinrich war kein Mensch, der sich prügelte. Ganz offensichtlich hatten ihn die letzten Tage arg mitgenommen. Aber das Gebrüll ihres Gatten berührte sie weniger, als die Präsenz dieser fremden Person. Sie wollte diesen Mann aus ihrem Zimmer haben - und aus dem Haus. Schließlich war es noch immer sie gewesen, der entschieden hatte, wer über ihre Schwelle treten durfte und wer nicht. Sie war die Herrin dieses Hauses und daran konnte auch ihre Erkrankung nichts ändern.
So stemmte sie sich mit beiden Händen vom Bett hoch und kam leicht schwankend zum Stehen. Das warme Kribbeln unter ihrer Haut verstärkte sich und einen Moment lang verharrte sie misstrauisch, auf den Schmerz horchend, der nun eigentlich durch ihre Knochen fahren müsste.
Sie hörte Heinrich schimpfen: "Ich werde Sie zur Rechenschaft ziehen für diese Hinterhältigkeit.“
Clara richtete den Blick auf die beiden Männer und stapfte zwei schwere Schritte in ihre Richtung. Heinrich bemerkte seine sich nähernde Frau nicht, obwohl sie sich nicht gerade geräuschlos bewegte. Zu sehr hatte er sich in seinen Zorn gesteigert. Sein Gesicht war rot verfärbt und er schien kurz davor, seinem Gegenüber einen Fausthieb zu verpassen. Der Fremde hob den rechten Arm und drehte die Handfläche zu Claras aufgebrachtem Ehemann. Clara bemerkte, dass er Handschuhe trug. Auf dem braunen Leder waren vereinzelte Blutflecken zu erkennen. Er sagte in ruhigem Tonfall nur ein Wort: "Still."
Heinrich gab ein dumpfes Grollen von sich und verharrte in seiner Angriffstellung. Clara machte einen weiteren Schritt nach vorn und erhob ihre kräftige Stimme: "Ich will, dass Sie auf der Stelle hier verschwinden", gebot sie dem fremden Mann. Ihr Gatte wandte mit einem Ausdruck des Erstaunens sein rotes Gesicht in ihre Richtung. Der Mund klappte auf und die Fäuste sanken herab.
"Clara", flüsterte er voll Unglauben.
"Heinrich,", erwiderte sie fest, "ich möchte, dass du diesen Mann hier rauswirfst."
"Aber", Heinrich schluckte, er schien verwirrt. "Clara, Herr Adlam ist.... er hat dich wohl... wieder gesund gemacht..."
Einen Moment lang war Clara unsicher. Doch der Schreck, den dieser Fremde in ihr ausgelöst hatte, saß tief. Sie konnte nicht akzeptieren, dass der Mann irgendetwas Gutes an ihr getan hatte. Sie straffte die Schultern und proklamierte mit energischer Stimme: „Ich war bereits auf dem Wege der Besserung. Ich werde mich doch nicht von einer kleinen Grippe unterkriegen lassen."
Heinrichs Blick sagte ihr deutlich, dass er ihren Worten keinen Glauben schenkte. Doch in ihren eigenen Ohren klang ihre Aussage keinesfalls wie eine Lüge. Ihr zäher Körper war bis jetzt noch mit jeder Krankheit selbst fertiggeworden. Sie wandte leicht den Kopf und schaute dem fremden Mann in die Augen, der sich Adlam nannte. Er sah sie direkt und unverwandt an, aber seine Miene war verschlossen. Das Unbehagen, das sein intensiver Blick ihr verursachte, ärgerte sie. Es ärgerte sie gewaltig, ein noch immer
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