Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
aber nur das Heulen des Sturms zwischen den Felsspalten. Eine Bö riss kräftig an seiner Mütze und ließ ihn erschauern. Auch nach wiederholtem Klopfen regte sich nichts in der Hütte, die Tür blieb geschlossen.
„ He!“ rief Heinrich nun laut. „He! Jemand zuhause?“
Keine Antwort.
Er griff nach der Türklinke, um zu probieren, ob die Tür wirklich verschlossen war. Doch auch das Rütteln an der Klinke blieb erfolglos. Fröstelnd legte er die Arme um seinen Oberkörper und dachte einen Moment lang nach: Hatte es einen Sinn, hier vor der Tür zu warten, bis der Bewohner der Hütte eventuell noch nachhause käme? Hinter der Hütte war es windgeschützt, dort ließ es sich sicher besser eine Weile aushalten. Als er sich umdrehte, musste er feststellen, dass das Warten nicht mehr nötig war. Die schwarzen Augen, die ihn mit beklemmender Intensität musterten, waren wie ein deja vu für ihn. Es schien Heinrich im ersten Moment, als stände die alte Hexe wieder vor ihm.
Jedoch das Gesicht war das eines Mannes, in dem Heinrich die Feinheit von Elisas Zügen wiederzuerkennen glaubte. Der vor ihm stehende Mann war einige Jahre jünger als er selbst, vielleicht nicht einmal dreißig. Und doch besaß er eine derart intensive Ausstrahlung, dass Heinrich im ersten Moment kein Wort herausbrachte. Es war ihm, als sei er ohne Erlaubnis in ein fremdes Haus eingedrungen und dabei ertappt worden. Der finstere Blick, der so unverhohlen auf ihn gerichtet war, beraubte ihn für einige Augenblicke völlig seines rationalen Denkvermögens.
Erst nach einer Weile brachte Heinrich, über seine eigene Reaktion verärgert, mühsam einige Worte über die Lippen. „Ich... bin ... hergeschickt worden von ... Frau Sleyvorn...“
Der düstere Ausdruck seines Gegenübers veränderte sich um keine Nuance. Heinrich wäre am liebsten einen Schritt zurückgetreten, da er sich in der Nähe dieses Mannes äußerst unbehaglich fühlte. Doch hinter ihm befand sich die Tür der Hütte, sodass es keine Ausweichmöglichkeit gab.
„Frau Sleyvorn“, wiederholte der Fremde und hob den Kopf ein wenig an, ohne jedoch den Blick von Heinrich abzuwenden. „Warum schickt sie Sie?“
Heinrich straffte die Schultern und bemühte sich, seine völlig unangebrachte Verwirrung abzuschütteln. Mit noch immer ein wenig belegter Stimme fragte er: „Sie kennen Frau Sleyvorn?“
Die Antwort war ein Kopfnicken.
Also war er hier wohl an der richtigen Adresse, dachte sich Heinrich. Den fremden Mann am Strand hatte Elisa Sleyvorn sich nicht einfach ausgedacht. Fraglich schien nun nur noch, ob dieser tatsächlich eine Hilfe für ihn und seine Frau bedeutete. Offensichtlich gehörte der Fremde ebenfalls dieser Zigeunersippe an, von der er kein entgegenkommendes Verhalten gewohnt war. Heinrich räusperte sich, um sich von dem Knoten in seinem Hals zu befreien. „Frau Sleyvorn war der Ansicht, dass Sie mir vielleicht helfen könnten“, sagte er.
„Interessant“, erwiderte der Fremde, ohne eine Miene zu verziehen. „Wobei?“
Heinrich stellte sich breitbeinig hin, bemüht, den Blick seines Gegenübers trotz der dadurch verursachten Unbehaglichkeit fest zu erwidern. „Meine Frau ist sehr krank“, erklärte er, entschlossen, sogleich alle Fakten auf den Tisch zu legen. „Und ich bin der festen Ansicht, dass Frau Sleyvorns Enkelin diese Krankheit ausgelöst hat. Doch Elisa Sleyvorn ist nicht gewillt, die Sache rückgängig zu machen, sondern sie hat mich an Sie verwiesen.“
Auf den Lippen des Fremden zeichnete sich bei diesen Worten ein leichtes Lächeln ab, das die starre Miene für einige Momente durchbrach. Heinrich war die Belustigung seines Gegenübers alles andere als recht. Doch war er andererseits froh, einen Anflug von Gefühl im Gesicht des Fremden zu erkennen.
„ Können Sie ... können Sie mir helfen?“ fragte Heinrich, ärgerlich über die Unsicherheit in seiner Stimme.
„ Wohl ja“, erwiderte der fremde Mann, dessen Gesichtsausdruck im selben Augenblick wieder gefror.
„ Ja?“ wiederholte Heinrich nicht wenig überrascht. „Sie sagen ja?“
„ Ja“, bestätigte sein Gegenüber nochmals. „Aber können Sie sich das leisten?“
„ Wie bitte?“
„ Sie müssen mir schon einen Grund geben, warum ich Ihrer Frau helfen soll. Mir persönlich liegt nichts an ihr.“
Heinrich beschlich das düstere Gefühl, dass sich hier jemand vielleicht nur bereichern wollte, ohne sein Versprechen auf Hilfe einlösen zu können. Er als
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