Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
beharrliches Pochen von Angst an ihrer selbst errichteten Mauer des Stolzes wahrzunehmen. Darum erhob sie die Stimme umso gebieterischer. "Verlassen Sie augenblicklich dieses Haus, Herr Adlam!"
Sie war es gewohnt, dass man sich unter ihrer harschen Stimme duckte. Die Leute, die ihr im Weg standen, suchten im Normalfall so schnell es ging das Weite. Jedoch hatte sie fast damit gerechnet, dass dieser Mann sich widersetzen würde. Er blieb stehen, wo er war, ohne die Augen von ihr abzuwenden. Clara widerstand der Versuchung, der dunklen Intensität seines Blickes auszuweichen und starrte mit möglichst böser Miene zurück.
Heinrich ergriff das Wort. "Clara,", sagte er in eindringlichem Ton. "Ich habe Herrn Adlam hierher geholt, damit er dir hilft. Ich hätte zwar nicht gedacht, dass...". Er brach ab, runzelte die Stirn. Diese Geste der Unentschlossenheit von ihrem sonst sehr zielstrebigen Gatten reizte Claras Wut nur noch mehr.
"Ich brauche niemanden, der mir hilft", fauchte sie ihn an. "Wie du siehst, geht es mir ausgezeichnet!"
Heinrich schüttelte daraufhin nur wortlos den Kopf.
Erst jetzt meldete sich Herr Adlam zu Wort: "Fräulein Sleyvorn schien zu wissen, was sie tat", sagte er trocken.
Clara hielt inne, schluckte hart und zog böse die Stirn kraus. Doch ehe sie etwas erwidern konnte, fiel ihr Heinrich ins Wort.
"Darüber haben weder Sie noch sonst jemand zu befinden", gab er seinem Besucher energisch zurück. Den Angesprochenen schien diese Zurechtweisung nicht zu berühren. "Sie wissen, dass ich nicht aus moralischen Gründen hier bin", erwiderte er mit weiterhin ruhiger Stimme.
Das gab Clara Anlass, ihren Mann mit einem strengen Blick zu bedenken. "Du wirst ihm doch wohl kein Geld versprochen haben?"
Heinrich stemmte die Hände in die Hüften. "Natürlich habe ich das, Clara", antwortete er mit Nachdruck. "Und schließlich stehst du genau deshalb wieder auf deinen Beinen!"
Clara wollte nicht glauben, dass gerade dieser bösartige Fremde sie gesundgemacht haben sollte. Doch vor ihrem geistigen Auge erschien das Bild der jungen Sleyvorn, die ihre Hand vor Clara hob und wie eine giftige Schlange unverständliche Worte zischte. War es nicht ein Gesetz der Logik, dass Hexerei nur mit Hexerei aufzuheben war? Und dieser fremde Mann, wie und wo Heinrich ihn auch immer aufgetrieben haben mochte, war mit Sicherheit kein Doktor. Zu sehr erinnerte er Clara an die unheilvolle Zigeunersippe. Doch erschien er ihr sehr viel finsterer. Sie war sich sicher, nie zuvor einem ähnlichen Menschen begegnet zu sein. Und in ihrem Haus haben wollte sie ihn ganz bestimmt noch immer nicht.
"Wenn du ein Geschäft mit ihm hast, Heinrich,", erwiderte Clara deshalb nach einigen Sekunden des Überlegens, "dann verlasst beide dieses Zimmer, um es abzuschließen. Und danach möchte ich diesen Mann nie wieder hier sehen."
Heinrich nickte. Sein Blick schien ihr anzudeuten, dass auch er diese Sache möglichst schnell hinter sich bringen wollte. Doch hatte er zuvor noch etwas anderes zu erledigen.
"Herr Adlam", wandte er sich an den Fremden, "warten Sie bitte draußen auf dem Flur auf mich. Ich möchte mit meiner Frau kurz allein sein."
Der Angesprochene nickte. "Prüfen Sie", sagte er, "ob sie erhielten, was Sie bestellt haben." Er warf Clara noch einen kurzen Blick zu und verließ dann den Raum. Sie sah ihm nach, bis die Tür hinter ihm zufiel.
Im nächsten Moment spürte sie Heinrichs Hand auf ihrem Arm. "Clara, komm mit mir zum Spiegel", wies er sie an. Sie folgte seinem Drängen zum großen Wandspiegel neben dem Bett, während ihre Gedanken noch immer um den fremden Mann kreisten, der ihre starke Felsenfestung allein durch seine Anwesenheit auf äußerst unangenehme Weise erschüttert hatte. Doch erschütternd war auch der Anblick, den ihr Spiegelbild bot. Sie fuhr vor Schreck zusammen, als es vor ihren Augen erschien. Getrocknete Rinnsale von Blut klebten auf dem Kinn und am Hals, einige Tropfen prangten auch auf den Wangen. Und ihr ehemals schneeweißes Nachthemd war im Hals- und Armbereich von dunkelroten Flecken besprenkelt. Es sah tatsächlich so aus, als habe sie, wie eines dieser sagenhaften Vampirwesen, sich gierig an Blut gelabt.
Heinrich griff nach dem feuchten Lappen, der auf dem Nachttisch neben der Wasserschüssel lag und mit dem Claras Stirn gekühlt worden war. Er half seiner Frau, die roten Flecken und Spritzer von ihrer Haut zu waschen. Verletzungen wurden darunter nicht sichtbar. Auch sonst hatte Clara keine
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