Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Pferd herum, um die Verletzung zu inspizieren, beruhigte das Tier mit vorsichtigen Berührungen an Hals und Brust, besah sich dann das blutende Bein, schüttelte den Kopf und griff nach dem im Straßenstaub liegenden Zügel. Robin lag es auf der Zunge, ihm sein Erstaunen über diesen meisterhaft abgefangenen Sturz mitzuteilen. Er selbst wäre wahrscheinlich nicht so unbeschadet davongekommen, dazu war alles viel zu plötzlich geschehen. Aber er entschloss sich, das Lob für sich behalten. Es würde ohnehin nicht auf Gegenliebe treffen.
Robert gelang es, die Stute mit gutem Zureden und einigem Kraftaufwand wieder auf die Beine zu ziehen. Keuchend und wankend stand sie dort und hielt das verletzte Bein angewinkelt. In diesem Moment stieß auch Jesco zu ihnen.
„Da war Gottes Hand mit dir“, stellte er nüchtern fest.
Robert warf Jesco zur Antwort einen finsteren Blick zu, der deutlich besagte, was er von diesem Kommentar hielt. Auch Robin fragte sich, wo hier Gottes besonderer Schutz zu sehen war. Schön, Robert war unverletzt geblieben, wahrscheinlich aufgrund seiner schnellen und exakten Reaktion. Doch das Pferd hatte ein verwundetes Bein und auch einige Blessuren an Kopf und Hals, sodass es zurzeit nicht mehr als Reittier zu gebrauchen war. Ein solch schwerer Sturz auf übersichtlicher, ebener Strecke war großes Pech – vor allem, wenn man es eilig hatte.
Jesco setzte aufgrund des verständnislosen Schweigens um ihn herum eine kurze Erklärung nach. „Selbst wenn er deine Pläne nicht unterstützt, kann er dich schützen.“
Robert ignorierte diese Worte, überreichte die Zügel des verletzten Tieres Robin und meinte: „Ich werde ein neues Pferd besorgen, gib du mir solange deines. Wir treffen uns an dem Hof, den wir gerade passiert haben.“
Mit diesen knappen Worten stieg er kurzerhand auf Robins braunen Wallach und ritt davon, sie beide mit dem verletzten Tier zurücklassend. Jesco und Robin blickten ihm einige Momente lang nach, beide in ihre eigenen Gedanken verstrickt. Dann brach Robin das Schweigen.
„ Er hasst uns beide“, stellte er trübsinnig fest. „Wahrscheinlich wird er uns am Ende der Reise umbringen.“ Robin hatten die Tage der gnadenlosen Hatz ebenso mitgenommen wie Jesco, er fühlte sich völlig ausgelaugt. Die Zeiten des reichhaltigen Essens und des langen Nachtschlafs unter seinem alten Meister waren vorbei.
„ Sehr unwahrscheinlich“, war Jescos Antwort. „Er hasst es, sich mit uns abgeben zu müssen. Wir selbst sind ihm herzlich egal.“
Robin wandte sich zu ihm. „Dann wird er uns eben sterben lassen, indem er uns im Stich lässt. Es ist eins und dasselbe.“
„Sind wir denn auf ihn angewiesen?“ fragte Jesco mit Nachdruck.
Robin wandte den Kopf wieder ab, zog sich augenblicklich in sich selbst zurück. „Ich sehe niemand anders“, erwiderte er.
Das verletzte Pferd gab leise Schmerzenslaute von sich und versuchte, sich wieder auf den Boden zu legen. Robin zog fest am Zügel, um das zu verhindern. „Komm“, sagte er zu Jesco, „wir gehen rüber zu dem Hof. Wir müssen dieses arme Tier versorgen.“
Schweigend trotteten sie nebeneinander her, die Pferde hinter sich.
Robin hielt den Kopf gesenkt, signalisierte keine weitere Gesprächsbereitschaft. Er wollte kein Gerede mehr hören über diesen fernen Gott.
Der Bauernhof war klein und ärmlich. Man beäugte die beiden berittenen Reisenden misstrauisch, doch am Ende ließ man sich doch auf einen Handel mit ihnen ein: Ein Dach über dem Kopf für höchstens ein paar Stunden und die Versorgung der Pferde sollten dem Bauern das verletzte Tier einbringen. Der Bäuerin waren ihre Gedankengänge an der Mimik abzulesen: Sollte das Tier nicht mehr zu retten sein, dann warf es immerhin einige gute Portionen sättigendes Fleisch ab.
In einem Stall, neben einigen Rindern und drei Schweinen, kümmerte sich Robin eine Zeit lang um das Wohlergehen der Pferde. Er wusch und verband die Beinwunde, reinigte die sonstigen Verletzungen und reichte seinem Patienten sowie dem anderen Pferd Heu und Wasser.
Jesco, der rein gar nichts von Pferden verstand, schaute ihm dabei zu.
Anschließend verließen die beiden Männer den Stall, obwohl dieser bei dem nasskalten Wasser eine angenehme Wärme für sie bereithielt. Doch die Rinder gebärdeten sich aufgrund ihrer Anwesenheit äußerst unruhig, man konnte zeitweise sein eigenes Wort nicht verstehen. Jesco und Robin suchten draußen einen Platz, von wo aus sie die Straße im Blick hatten.
Weitere Kostenlose Bücher