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Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Elurius (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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erinnerte daran, sodass Tadeya mit den Augen blinzelte und sich fragte, ob in ihrem Kopf alles in Ordnung war. Dann lauschte sie, sah sich aufmerksam um, nach anderen Ungereimtheiten Ausschau haltend. Eine Weile blieb alles völlig normal, trieb sie die Schiffsmaschine weiter dem Ziel entgegen, schaukelnd über das bewegte Meer. Dann war ein deutliches Stottern des Motors zu hören, Tadeya spürte das gleichzeitige Ruckeln des Schiffskörpers.
    „ Na, was ist denn das?“ fragte der Passagier ohne besondere Aufregung in der Stimme und drehte die Zigarre in den Händen.
    Gleich darauf erstarben die Maschinen, das Schiff verlangsamte die Fahrt und blieb Minuten später schwankend auf dem Wasser liegen.
    Der Passagier war offensichtlich ein besonnener Mensch, vielleicht war er häufig auf Reisen und regte sich deshalb nicht besonders über die Panne auf. Er setzte die Zigarre wieder an den Mund, nahm einen tiefen Zug, blies tanzende Schwaden gegen den Wind und meinte dann: „Tja, jetzt steht der Motor wohl.“
    Tadeya wurde es äußerst unwohl zumute. Sie wusste, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche technische Störung handelte und ihr mit großer Wahrscheinlichkeit Gefahr drohte. Doch was sollte sie nun tun? Ihr stand noch kein offensichtlicher Feind gegenüber. Sie konnte nur ruhig bleiben, alle Sinne offen halten und Kraft sammeln für eine mögliche Konfrontation.
    Sie stand von ihrer Bank auf, ging langsamen Schrittes an der Reling entlang, blickte vom Wasser zum Schiff und wieder zurück und hielt nach einem Hinweis darauf Ausschau, was sich hier anbahnte. Ihr Weg führte sie einmal um das Schiff herum, doch bis auf das Schweigen des Motors und einigen aufgeregten Stimmen aus dem Schiffsrumpf war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Der rauchende Passagier hatte während Tadeyas Rundgang das Oberdeck verlassen, sicher um sich bei der Besatzung nach dem Rechten zu erkundigen. Somit befand sich Tadeya nun allein hier draußen. Sie wusste allerdings instinktiv, dass es ihr im Ernstfall nichts nützen würde, im Inneren des Schiffes die Obhut menschlicher Gesellschaft zu suchen.
    Sie suchte mit den Augen das Wasser ab, schaute ganz genau hin, angespannt wie eine Katze auf dem Sprung. Ein Flackern in den grauen Wellen entging ihrer geschärften Wahrnehmung nicht – ein kurzes Flimmern, das ihr für Sekundenbruchteile die Umrisse eines Bootes enthüllte, eines kleinen Kahns, der augenblicklich wieder in der Unsichtbarkeit verschwand. Ein kalter Schauer durchfuhr Tadeya, als ihr klar wurde, dass der Feind bereits an Bord sein musste.
    „Tadeya.“ Die Stimme, die ihren Namen aussprach, war ihr seit jeher vertraut. Ihren Klang zu hören war an diesem Ort, zu diesem Zeitpunkt, mehr als eine Überraschung für Tadeya. Sie fuhr herum und sah Elisa vor sich stehen, ein schwarzes Kopftuch umrahmte das schmale, feine Gesicht, aus dem die dunklen Augen hervor stachen.
    Der Anblick ihrer Großmutter trieb Tadeya unerwartet Tränen in die Augen. Schmerzhaft deutlich klangen ihr Roberts Worte in den Ohren: Sie gab ihr Einverständnis, dass er auch dich zu sich holt. Am liebsten wollte sie mit Fäusten auf die alte Dame einprügeln und die heiße Wut heraus schreien, die in ihr wie ein plötzlicher Sturm losbrach. Doch Tadeya blieb stehen, wo sie war. Wortlos. Die Hände fest geballt. Sie wollte hören, was Elisa ihr zu sagen hatte. Solange würde sie den winzigen Hoffnungsfunken am Leben erhalten, dass ihre Großmutter nicht als Handlangerin des Henkers gekommen war, um sie zum Schafott zu führen. Doch die Art von Elisas Erscheinen sprach Bände: Nach Tadeyas Wissen war die alte Dame zu einem solchen Zauber gar nicht in der Lage. 
    „ Ich habe die undankbare Aufgabe erhalten, deine Reise nun zu beenden“, sagte Elisa ohne erkennbare emotionale Regung. Tadeya hingegen erlebte einen inneren Aufruhr. Die Tränen rannen ihr jetzt über die Wangen, während sie der Großmutter ihren Zorn entgegen schrie.
    „ Ich komme nie im Leben freiwillig mit dir! Du hast kein Recht mehr, über mich zu bestimmen! Lass mich für alle Zeiten in Ruhe!“ Damit wirbelte sie herum und ging mit weit ausholenden, wütenden Schritten durch die Tür, die in den Schiffsrumpf hinein führte. Natürlich war ihr bewusst, dass sie auf dieser Flucht nicht weit kommen würde, doch hatte sie das dringende Bedürfnis, aus Elisas Nähe zu verschwinden. Also stürmte sie die steile Treppe zu den Kabinen hinunter, ohne einen klaren Gedanken im Kopf,

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