Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
unterordnen müsse, sondern mitzubestimmen habe.
Das habe ich erwartet: Er will so viel und weiß so wenig. Und ihm fehlt jegliche Kontrolle über sich selbst, seine Gefühle werden ihm stets ein Stolperstein sein, solange er sie nicht endgültig beherrscht. Nein, er ist weit davon entfernt, die Reife zu besitzen, die er benötigt, mir ebenbürtig zu sein. Und doch bin ich auf seinen Handel eingegangen.
Zuerst will ich ein Eintrittsgeschenk von ihm, als kleine Prüfung der Selbstüberwindungskraft.
Natürlich habe ich mir wieder seinen Zorn zugezogen, doch er erfüllte meine Forderung und brachte mir ein ganz besonderes Opfer. Danach nahm er meine Gesprächseinladung natürlich nicht an, erschien aber zur Opferung in der nächsten Nacht voller Angriffslust und forderte mich tatsächlich heraus, ihn zu töten. Nein, so leicht ist das Ende nicht zu haben! Gerade in seiner Wut ist er so leicht zu überwältigen, unbeherrschte Gefühle besiegen seinen Verstand. Ich zwang ihn vor dem Opferaltar in die Knie, als äußeres Zeichen einer Unterwerfung, die innerlich noch erfolgen muss. Das hat ihn für eine Weile verwirrt, aus der Bahn geworfen. Doch die Angriffslust kam zurück.
Ich habe mich nun so nah in Dianes Umfeld begeben, dass er um ihr Leben fürchtet, doch gehen meine Pläne mit dieser Frau in eine ganz andere Richtung. Mein Schüler Konrad wird Diane kontaktieren und sie für unsere Sache interessieren. Bald schon darf sie sich zu uns gesellen - und ich kenne ihren Hintergrund sowie die Einflussnahme durch ihren Onkel gut genug, um sagen zu können, dass sie es bei uns mögen wird. Ich halte Frauen noch immer für nicht besonders tauglich, doch ihre Anwesenheit wird Roberts Hitzkopf wohltun.
Ich werde ihn nun mit immer neuen Aufgaben konfrontieren, die ihn lehren, seine hinderlichen Skrupel zu überwinden. In der letzten Nacht hat es gut funktioniert, er wollte schließlich auch etwas von mir. Es ist ein Geben und Nehmen, sage ich ihm. Ja, das ist es wirklich: Ich nehme ihm sein verweichlichtes Herz und gebe ihm dafür neue Kraft.
So erschreckend weichgemacht hat ihn dieses Rumgezärtel mit seiner „kleinen Schwester“ Katharina, sein Träumen und Umherschweifen. Und dabei ist sein Potential so sehr gewachsen: Ich werde ihm helfen müssen, aus seiner Träumerei zu erwachen, damit sich endlich ungehindert entfalten kann, was in seinem Inneren sonst verkommt.
Wieder hat er nach meinem Willen funktioniert, um mir zu beweisen, dass er mir ebenbürtig ist. Dabei habe ich ihm ein Opfer vorgesetzt, ganz zugeschnittenen auf seinen Beschützerinstinkt. Doch die Situation zwang ihn dazu, sein in den letzten Jahren eingeübtes Schema zu verlassen und dieses Mädchen als das zu behandeln, was es ist: ein unbedeutendes Menschlein, das nichts in dieser Welt bewirken kann.
Dieser Schatten wird immer kürzer, je öfter man ihn überspringt.
13. Elurius
------- JESCO FEY -------
Die Dinge flossen auf unverständliche Weise ineinander: Ausgerechnet die kleine Kapelle am Waldrand, noch vor Tagen ihr Unterschlupf vor dem Unwetter, sollte der Ort sein, um Tadeya zu überliefern. Und dieses schmale hohe Gebäude weitab von Straßen und Ortschaften befand sich in Katharinas Besitz. Sie hatte es von ihrem Freund Robert geschenkt bekommen, die Kapelle trug sogar ihren Namen. Hier liefen die Fäden vieler wirrer Knäule wie von Zauberhand zusammen, als wolle der Ort allein durch sein Dasein verkünden: Ja, es liegt eine Ordnung im Chaos, auch wenn ihr es nicht sehen könnt.
Als sie die Kapelle betraten, wurde Jesco einer ungewöhnlichen Ruhe gewahr, innerlich wie äußerlich. Nein, es gab keinen Grund zu zweifeln, dass sie das Richtige taten, so gefährlich es auch sein mochte. Niemand erwartete sie hier, doch der Raum trug noch die Spuren seiner letzten Gäste: Die Bank lag umgestürzt, auf dem Boden klebten Blutstropfen. Katharinas Blick blieb an der geschundenen Skulptur des Auferstandenen hängen, doch sie sagte zu dem allem kein Wort. Jesco stellte allerdings fest, dass sie ziemlich blass aussah - ein Zeichen dafür, wie sehr ihr diese ungewisse Situation zusetzte. So ließ er sich auf den Boden nieder und las laut aus dem Buch, das ihn stets begleitete, sodass seine Stimme von den kahlen Wänden widerhallte:
„ Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig! Denn bei dir birgt sich meine Seele. Im Schatten deiner Flügel berge ich mich, bis vorübergezogen das Verderben. Ich rufe zu Gott, dem
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