Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Andere, als die angenehmste Mission seines Lebens. Tapfer führte Heinrich seinen Verdacht weiter aus, obwohl seine Handflächen spürbar feucht wurden. „Ihre Enkelin ist mit meiner Frau in Streit geraten. Das Mädchen hat sich in eine ungerechtfertigte Wut gesteigert.“
Elisa hob stumm die Brauen, die im Gegensatz zum weiß gewordenen Haupthaar noch ganz schwarz waren.
„Sie wissen, worauf ich hinaus will“, setzte Heinrich hinzu und zwang sich, den festen Blick der Frau zu erwidern. „Meine Frau war nie zuvor krank“, erklärte er weiter. „Sie hat eine sehr robuste Natur. Doch nachdem das Mädchen seine Hand erhoben und diese merkwürdigen Worte gesagt hat, ging es ihr von Minute zu Minute schlechter. Es ist nicht das erst mal, dass derartige Dinge im Umkreis Ihrer Familie vorfallen. Darum wissen meine Frau und ich genau, dass die ganze Sache keine Einbildung ist.“
Elisa lehnte sich in ihrem knarrenden Stuhl vor. „Und?“ fragte sie mit ihrer tiefen, ruhigen Stimme.
„Was, und?“ fragte Heinrich irritiert zurück.
„ Was erhoffen Sie sich nun hier, bei mir?“
„ Frau Sleyvorn, meiner Frau geht es wirklich äußerst schlecht. Der Doktor kann ihr nicht helfen, und wenn es weiter mit ihr bergab geht, dann ist sie in wenigen Tagen tot.“ Er machte eine Pause, währenddessen er die Schultern straffte und sich darauf konzentrierte, den Blick anzuwenden, mit dem er üblicherweise seinen Geschäftspartnern gegenübertrat. „Es liegt nicht im Gutdünken Ihrer Enkelin, Todesurteile auszusprechen. Niemand hat das Recht, so etwas zu tun.“
Elisa lehnte sich wieder in ihren Stuhl zurück und strich sich mit der schmalen Hand durch das weiße Haar. Wieder fiel Heinrichs Blick auf den Ring mit dem roten Stein, der im Licht der Lampen funkelte. Nach einer Weile des Schweigens sagte sie, ohne jegliche Erregung in der Stimme: „Glauben Sie tatsächlich, dass ein Todesurteil durch ein paar gesprochene Worte vollstreckt werden kann? Hängen Sie diesem Aberglauben an?“ Sie schenkte ihm einen langen, düsteren Blick.
Natürlich traf diese Hexe damit Heinrichs wunden Punkt. Keinesfalls wollte er als abergläubischer Spinner abgestempelt werden. „Nein, Frau Sleyvorn“, widersprach er ihr deshalb. „Ich bin nicht abergläubisch. Ich bin ein moderner Mensch, der glaubt, was er sieht. Und von Ihrer Sippe habe ich bereits mehr als genug gesehen.“
Um Elisas Mundwinkel spielte ein kleines, amüsiertes Lächeln.
„Es tut mir leid, Frau Sleyvorn“, betonte Heinrich. „Ich lasse mich davon nicht abbringen: Was meine Frau und ich gesehen haben, das haben wir gesehen. Unsere Schlussfolgerungen sind eindeutig und Sie können mich nicht von meiner Meinung abbringen.“
Obwohl Heinrich innerlich bebte, blieb er nach außen hart wie ein Fels. Man konnte wahrlich nicht behaupten, dass ihm die Liebe zu seiner Frau eine solche Kraft verlieh, dass er über seine Angst, sich vollkommen lächerlich zu machen, hinwegsehen konnte. Er liebte seine Frau nicht. Er war einfach ein Mann mit Prinzipien.
„Warum“, fragte Elisa leise, „wenden Sie sich mit dieser Geschichte an mich?“
„ Weil Sie die Sache rückgängig machen sollen, natürlich“, erwiderte ihr Heinrich. „Dieses trotzige Kind würde doch sicher keinen Finger rühren...“
Elisa wiegte leicht den Kopf hin und her. „Wissen Sie, Herr Neuberg,“, sagt sie, „ich würde Ihnen wohl kaum helfen wollen, selbst, wenn Ihre verrückte Geschichte wahr wäre. Tadeya ist längst kein Kind mehr und es widerstrebt mir zutiefst, mich in ihre Angelegenheiten einzumischen.“
Heinrich fuhr daraufhin aus seinem Sessel hoch. Stockgerade stand er dort, vor seiner Gastgeberin, und blickte auf die alte Frau herab.
„ Was Sie sagen, ist kalt und gefühllos“, gab er zurück. „Aber es wundert mich nicht, das entspricht ganz dem Handeln Ihrer Enkeltochter. Hätte ich dieselbe Fähigkeit, wie dieses Mädchen, dann würde ich Sie verfluchten, Frau Sleyvorn, glauben Sie mir. Und Sie würden elendiger dahinsiechen, als meine Frau!“
Elisa hob den Kopf. Das Lächeln war von ihren Lippen verschwunden.
Das Blut rauschte in Heinrichs Schläfen und er wusste genau, dass sein Kopf feuerrot geworden war. Doch sein hauptsächliches Gefühl war nicht der Zorn, sondern die Angst. Er sah sein endgültiges Schicksal mit großen Schritten herbeieilen.
Auch Elisa stand nun aus ihrem Stuhl auf, jedoch viel langsamer, als Heinrich es zuvor getan hatte. „Herr Neuberg“,
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