Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Körpers in den vergangenen beinah dreißig Stunden nachgelassen hatte.
Der Mantel lag neben ihm auf dem Boden, darauf das kleine, in schwarzem Leder eingeschlagene Buch. Er trug dieses Buch üblicherweise nicht mit sich herum und eigentlich sollte es sicher aufbewahrt in einer der Kisten im Rumpf seines Bootes liegen. Dort hatte er auch sein restliches Gepäck zurückgelassen. Doch dieses Buch hatte er ohne besonderen Grund in die Manteltasche gesteckt, bevor er gemeinsam mit dem Mädchen das Schiff verließ.
Es waren bereits einige Tage vergangen, seit er Tadeya aus Elisas Haus geholt hatte, und noch immer war von Elmors Seite nichts als Schweigen zu vernehmen. Robert hasste diese Stille und er war des Wartens bereits am zweiten Tag überdrüssig gewesen. Er hielt es für ziemlich ausgeschlossen, dass es Elmor gelingen konnte, das Mädchen selbstständig ausfindig zu machen. Robert hatte nicht zum ersten Mal eine Person vor den Augen des Schwarzen Priesters versteckt. Er wusste, was dafür vonnöten war. Die Ironie lag darin, dass er die Informationen dafür aus der Lehrzeit bei seinem ehemaligen Meister hatte. Robert hatte direkt vor Ort, in Elisas Haus, während Tadeya sich noch in tiefer Ohnmacht befand, dieses Wissen angewandt. Die Magie des Priesters war gründlich. Das Mädchen sowie auch er selbst waren nun ein schwarzer Fleck auf Elmors privater Landkarte. Was tat sich also hinter den Kulissen während dieser Zeit des Schweigens?
Es war noch nie Roberts Sache gewesen, handlungsunfähig abzuwarten. Er konnte den Anblick der vier Wände dieses Schuppens schon jetzt kaum mehr ertragen, obwohl er sich noch gar nicht so sehr lange hier aufhielt. Doch es gab nichts weiter für ihn zu tun, es sei denn, er würde von sich aus versuchen, mit dem Schwarzen Priester Kontakt aufzunehmen.
Vielleicht war es gerade dazu an der Zeit.
Robert erhob sich, nahm Mantel und Buch an sich, und ging mit drei schnellen Schritten zu seinem Pferd. Er band es los und verließ im nächsten Augenblick den Schuppen, um draußen aufzusitzen und dem Tier freie Zügel zu lassen, zu laufen, wohin auch immer es wollte. Zuerst ging es langsam, dann immer schneller über die schneeweißen Felder. Der Hengst setzte mit kraftvollem Sprung über eine kahle Hecke, um anschließend den Weg geradewegs fortzusetzen, so, als verfolge er ein imaginäres Ziel.
Robert leerte seinen Kopf von jeglichen Gedanken, so, wie er es in den vergangenen Monaten unzählbar oft getan hatte. Gleichermaßen verschloss er sein Herz, um alle darin enthaltenen, tiefen Schatten hinter sich lassen. Tadeya, Elisa und auch Elmor, sie waren für eine Weile nur noch blasse Konturen am Horizont seines Denkens. Alles, was er spürte, war die nach neu heranziehendem Schnee duftende, frostige Luft und das Muskelspiel des schwarzen Pferdes unter sich.
In diesen Zustand verfallen war er zum ersten Mal in seinem Leben, als er das Schiff verlassen hatte, das seine Familie in den sicheren Tod brachte. Damals hatte er noch geglaubt, die Menschen, die er hinter sich zurückließ, seien wirklich seine Eltern und Geschwister. Doch stellten sie, auch rückblickend gesehen, zumindest so etwas Ähnliches wie eine Familie für ihn dar. Zwei lange Wochen waren damals verstrichen ohne wirkliche Gedanken, ohne greifbare Gefühle. Wie er von der Küste nachhause gelangt war, hatte sich nur als sehr schemenhafte Erinnerung in sein Gedächtnis gelagert.
Dann das Erwachen. Und mit einem Mal ein klarer Plan davon, wie er weiter vorgehen wollte. Die darauf folgende Zeit war ausgefüllt gewesen mit dem Erforschen der gesetzlichen Grundlagen des Vormundschaftsrechts und damit, dass er sich vertraut machte mit allen Geschäftsunterlagen des verstorbenen Terence Adlam. Über die Pferdezucht hatte er zu jenem Zeitpunkt bereits einiges Wissen gespeichert. Er hatte schon lange seine eigenen Ideen darüber gehegt, wie die Zucht der edlen, schlanken Füchse fortzuführen war. Also war er ans Werk gegangen, hatte seine Tage restlos ausgefüllt mit geschäftigem Treiben. Nur des Nachts hatte er sich gestattet, zu sich zu kommen, nachzudenken und einem tief verborgenen Traum nachzujagen. Den Traum von dem Mehr hatte er ihn manchmal genannt. Der Traum, der in jener vergangenen Zeit stets wie eine Triebfeder in ihm wirkte und der heute restlos zerstört war. Nicht einmal schwelende Ruinen davon waren übrig geblieben.
Robert fand sich wieder in einem lichten, blattlosen Laubwald. Der Hengst verfiel unter den
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