Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
gut tun, doch die Großmutter hatte sie bereits viele Seemeilen hinter sich zurückgelassen. Tadeya war bei Krankheit immer versorgt worden, auch, wenn Elisa vielleicht nicht die herzlichste aller Krankenschwestern war. Doch nun musste sie sich wohl an Zeiten gewöhnen, da sich niemand mehr um ihr Wohlergehen bemühte. Bei diesem Gedanken wurde ihr deutlich bewusst, dass sie eigentlich dazu gar nicht bereit war. Doch die Entscheidung war bereits gefallen und eine andere Wahl gab es sowieso nicht.
Zu dem Fieber, der Erschöpfung und dem Schüttelfrost gesellten sich noch Albträume. Nebelhafte, aber nichtsdestoweniger erschreckende Bilder zogen durch ihren Kopf und ließen eine Palette irrationaler Ängste zurück. Doch das Einzige, das in ihrer Erinnerung haften blieb, war das immer wieder erscheinende Gesicht einer jungen Frau, das sie als das ihrer Mutter erkannte. Die Miene ausdruckslos, wie tot. Und irgendwo in der Ferne, nicht so deutlich wie zuvor, Elisas verzweifelter Schrei, von dem sie etwa ein Dutzend Mal zuckend erwachte.
Und schließlich schlich sich diese dunkle, hünenhafte Gestalt in ihre Träume. Ein Wesen, vielleicht ein Mann, ohne Gesicht aber mit einer derart harten Präsenz, dass Tadeya wie gelähmt vor ihm stand. Es geschah keine weitere Handlung in diesem Traum, als dass sie sich gegenüberstanden und ein Stein, schwer wie in Fels, auf Tadeya lastete.
Als sie erwachte, glühte sie vor Fieber. Am liebsten hätte sie ihren Kopf in Eiswasser gesteckt, um die Hitze abzuschütteln. Sie schälte sich aus den Wolldecken und gab ihnen einen Tritt, dass sie aus dem Bett auf den Boden fielen. Es gab keine Möglichkeit, kühle Luft in diesen Raum zu lassen. Das Fenster konnte und die Tür durfte sie nicht öffnen. Sie griff nach der auf dem Tisch neben ihrem Bett stehenden Kanne und schüttete sich ohne nachzudenken das darin enthaltene Trinkwasser über den Kopf. Auch das brachte ihr nicht die ersehnte Kühlung.
Erschöpft ließ sie sich auf ihr Kissen zurücksinken. Sie bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen, doch das Einzige, was ihr in den Kopf kam, war, dass sie hieran sterben könnte. Und das flößte ihr furchtbare Angst ein: Dem Feind an Land entronnen, dann auf See am Fieber verreckt, dachte sie. Und niemandem um sie herum interessierte das. Womöglich würde der Kapitän einfach ihr Geld nehmen und ihren Körper über Bord werfen. Und dann wäre sie für immer und ewig verschwunden.
Sie wälzte sich auf dem Laken, spürte deutlich, dass sie nass von Schweiß war. Ja, sie hatte Angst vor dem Tod. Eine verdammte Angst. Einfach nicht mehr zu sein wäre schon schlimm genug. Sinnlos vor Hitze verglüht auf einem klapprigen Kahn mitten auf dem Meer. Aber was, wenn es so etwas wie die Hölle gab? Oder einen leeren Ort, wo sie als verlorene Seele umherstreifen musste?
Wieder erschien diese finstere, große Gestalt vor ihren Augen. Sie versuchte das Bild abzuschütteln, doch es gelang ihr nicht. Ob sie die Lider schloss oder öffnete, es blieb bestehen. Sie hörte auf, sich zu bewegen und lag still und erstarrt da. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich nach einem tiefen, festen Schlaf, der sie von Fieber und bösen Bildern erlöste. Doch es kam kein Schlaf mehr.
Und was blieb, war die Angst.
------- ROBERT ADLAM -------
Er hatte sich in einen Schuppen zurückgezogen, der einsam inmitten verschneiter, von Hecken umsäumten Feldern, stand. Im Innern der kleinen, aus groben Brettern zusammengezimmerten Hütte befanden sich allerlei landwirtschaftliche Geräte und in der niedrigen, mit einer Leiter erreichbaren Dachkammer, ein Vorrat an Heu. Die Schuppentür war verschlossen gewesen, doch es fiel ihm leicht, diese zu öffnen.
Der Schwarze war schon seit einiger Zeit sehr unruhig, stampfte mit den Hufen und schnaubten immer wieder kräftig. Robert hatte ihn mit kurzer Leine an einem Holzpfeiler angebunden, damit das Tier sich nicht an herumstehenden, rostigen Metallteilen verletzte. Was sich in unmittelbarer Nähe des Pferdes befand, hatte er beiseite geräumt.
Außerdem hatte er einiges von dem Heu von oben nach unten geworfen. Das Tier konnte davon fressen und er selbst hatte einen etwas bequemeren Platz sich hinzulegen, als den harten Lehmboden. Als Trinkwasser musste getauter Schnee herhalten. Ein wärmendes Feuer konnte man hier nicht entfachen, doch er wünschte sich auch keines herbei. Ihm war noch immer viel zu warm, obwohl die Überhitzung seines
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