Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Elurius (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
Vom Netzwerk:
Moment, als sie sich nebeneinander gesellten, berührte ihre Schulter seinen Arm. So nahe, wie in diesem Moment, war sie ihm die ganze Zeit über nicht gekommen. Durch die dicke Winterkleidung, die sie beide trugen, spürte sie an der Schulter eine derart intensive Wärme, als habe sie einen mit einer Decke behangenen Ofen berührt. Seine Körpertemperatur musste so übermäßig erhöht sein, dass sie über hohes Fieber hinausging. Normalerweise war es einem Menschen völlig unmöglich, dies zu überleben. Selbst mit etwas Abstand konnte sie noch immer die von ihm ausgehende Wärme spüren.
    Was die Kinder der Bacidas vor mehr als drei Jahrzehnten befallen hatte, war mit hohem Fieber einhergegangen. Diese Tatsache bestätigte Elisas Vermutung über Elmors Pläne, wenn man davon ausging, dass die Krankheit nicht immer exakt dieselben Symptome hervorrief. Doch zeigte Robert keine Anzeichen körperlicher Schwäche, was aufgrund der fortgeschrittenen Zeit eigentlich zu erwarten war. Elisa wusste, sie würde des Rätsels Lösung recht bald selbst erleben und sie wünschte sich nicht zum ersten Mal, sie hätte Robert Adlam niemals kennen gelernt.
    Erst, als sie den kleinen Wald erreicht und Elisa sich auf dem Stamm eines umgestürzten Baumes niedergelassen hatte, war sie bereit, das Gespräch fortzusetzen. Zuerst blieb er noch vor ihr stehen und aus seinem Gesicht war abzulesen, dass ihre letzten Worte rein gar nichts an der tiefen Kluft zwischen ihnen änderten. Vielleicht war der Abgrund nur noch weiter aufgerissen. Doch die Frage, ob die Überwindung ihrer Differenzen tatsächlich ihr eigentliches Ziel war, wollte Elisa sich selbst nicht beantworten. Was würde es auch nützen, seine Abwehr niederzureißen, betrachtete man den wahrscheinlichen Ausgang dieser unliebsamen Geschichte?
    Sie schob diese Gedanken beiseite und begann, allein ihrem inneren Drang folgend, wieder zu reden. "Die Menschen, unter denen ich aufwuchs, sind radikal anders, als die uns umgebende bürgerliche Welt. Sie haben eine andere Kultur, eine eigene Sprache und auch ihr Denken unterscheidet sich von der Außenwelt." Sie hielt inne, als eine alte Erinnerung sie überkam, wie eine leise, aber starke Welle, die ihre Beine umspülte und sie mit sich aufs Meer ziehen wollte. Aber dieser Augenblick war innerhalb von Sekunden überwunden. "Sie verstehen sich als wahre Familie, egal, ob der Verwandtschaftsgrad überhaupt nachvollziehbar ist. Du musst wissen, es existiert nicht nur diejenige Gruppe, der ich entstamme, sondern mein Volk ist in Sippen verstreut über beinah die gesamte Welt. Wir sind uns unserer gemeinsamen Wurzeln bewusst und so ist es möglich, in jedem Land der Erde Familie zu haben und dort wie ein Bruder oder eine Schwester aufgenommen zu werden. Und die Verbindung zwischen den Sippen wird gehalten, über jede Entfernung hinweg." Ihre Erklärungen klangen in ihren eigenen Ohren zu theoretisch, zu trocken, gemessen an einer selbst erlebten Wirklichkeit. Doch sie besaß keine anderen Worte. "Ich kann dir nicht von der Entstehung und Vergangenheit dieses Volkes erzählen und auch nicht von seiner zukünftigen Hoffnung. Es steht dir nicht zu, davon zu wissen. Es gibt klare Grenzen nach außen." Wieder musste sie eine kurze Pause machen und tief durchatmen, ehe sie anfügte: "Ich habe zu viele dieser Grenzen überschritten. Darum bin ich jetzt hier - und nicht mehr bei ihnen."
    Er sagte nichts, doch immerhin hörte er ihr zu.
    "Was ich dir sagen kann, ist, dass meine Blutlinie eine wichtige Rolle spielt für die Dinge, die in naher oder noch ferner Zukunft geschehen werden. Die Dinge, die über mein Volk prophezeit sind."
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. Nicht eben ein Zeichen für Offenheit, doch noch immer wandte er sich nicht ab, sondern sein Blick haftete auf ihr.
    "Ich war bereits nicht mehr sehr jung, als ich endlich auf den Mann traf, der der richtige war, meine Linie fortzuführen: ein Angehöriger meines Volkes, einer Sippe entstammend, die auf einem anderen Kontinent ihr Zuhause hat."
    Chadeschs Gesicht stand Elisa für die Zeit eines Lidschlags derart deutlich vor Augen, dass sie innerlich zusammenzuckte. Sie hatte in all den Jahrzehnten jeden Gedanken an ihn verbannt. Ihre Verbindung war sehr viel mehr gewesen, als die bloße Zusammenführung zweier Menschen, die eine bestimmte Blutslinie zu erhalten hatten. Es war pure Magie gewesen. Und das im realsten Sinne des Wortes. Wenn es auf dieser Erde so etwas wie Erfüllung

Weitere Kostenlose Bücher