Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Nikolas keinesfalls grundlegend informiert über die unmittelbar anstehenden Dinge. Doch wissen sie, dass bald schon sehr viel mehr von ihnen beiden gefordert werden wird, als in all der Zeit zuvor.
Robert scheinen meine Andeutungen über die Besonderheit dieser einen auf uns zukommenden Nacht, nicht im geringsten zu beunruhigen, während Nikolas zunehmend in Aufregung gerät. Ich werde heute Abend ein persönliches Gespräch mit Nikolas führen müssen, um seine Unruhe weitmöglichst zu dämpfen. Wenn man dem Jungen gut zuredet, ist bei ihm einiges zu machen. Doch sollte er sich zum kritischen Zeitpunkt einen schwerwiegenden Fehler erlauben - ob durch Nervosität oder Unfähigkeit - wird es mit den Samthandschuhen für ihn vorbei sein. Jeglicher Dilettantismus ist zur entscheidenden Stunde von einem solch langjährigen Schüler nicht tolerabel.
Diesen Zwischenfall hätte Robert sich selbst und mir zu diesem brisanten Zeitpunkt durchaus ersparen können. Es bleibt nur noch recht wenig Zeit bis zu der entscheidenden Nacht und er kam gerade jetzt auf eine sehr dumme Idee. An Lebensjahren gemessen ist er noch immer ein Halbwüchsiger und auf dieser Basis ist seine Handlungsweise erklärbar, doch hat er in den vergangenen zwei Jahren zu keinem Zeitpunkt jemals eine derartige Sentimentalität an den Tag gelegt.
Meine Leute hatten das etwa fünfzehnjährige Mädchen wie von mir angefordert vorgestern am frühen Abend hergebracht: ein kleines, verwirrtes, unschuldiges Ding, dessen Ableben keiner Rede Wert gewesen wäre. Viele Opfer ähnlicher Art haben zuvor bei Robert kein sichtbares Mitgefühl ausgelöst. Er hat sich sogar zu keinem Zeitpunkt gescheut, selbst mit Hand anzulegen, wenn ich es von ihm forderte. Aber dieses ihm unbekannte, blauäugige Kind hatte es ihm scheinbar angetan. Er hat dem Mädchen während meiner Abwesenheit die Fesseln gelöst und es einfach laufen lassen. Danach hat er sich in sein Haus zurückgezogen.
Als ich von dem Vorfall erfuhr, sandte ich ihm sogleich die Botschaft, dass ich ein dringendes Gespräch mit ihm zu führen habe. Robert leistete dieser Einladung pünktlich Folge und dementierte die Tat nicht, ohne jedoch eine Rechtfertigung für sein Handeln zu liefern.
Ich gab ihm eine ernsthafte Warnung mit auf den Weg, sich nicht in irgendwelche Tagträumereien zu verstricken. Mitleid gegenüber eines dieser schwachen Geschöpfe ist ein sinnloses Gefühl, das nur zu eigener Schwachheit und damit ins Verderben führt. Er gab mir darauf keine Antwort. Dass er mich gerade jetzt über seine Loyalität in Zweifel lässt ist sehr unerfreulich.
Meine Besorgnis hat sich in den letzten Tagen vergrößert. Robert legt eine Nachlässigkeit an den Tag, die ich nicht von ihm gewohnt bin. Er versäumte zwei mir sehr wichtige Versammlungen nacheinander und kam bei zwei weiteren derart verspätet, dass er die laufende Zeremonie störte. Er geht mir aus dem Weg und ist deutlich bemüht, so wenig Worte wie möglich mit mir zu wechseln. Doch an den Opferungen nimmt er, insofern er anwesend ist, weiterhin ohne Widerspruch teil.
Es stellt sich die Frage, ob es allein dieses eine mit ihm etwa gleichaltrige Mädchen war, das es ihm angetan und ihn zeitweise aus der Spur geworfen hat. Falls es sich tatsächlich so verhält, bedeutet dies allerdings noch nicht, dass sich das Problem bald von selbst erledigen wird. Wer sich einmal verwundbar gemacht hat, wird auch in Zukunft vor sentimentalen Handlungsweisen nicht gefeit ein.
Ich werde ihn prüfen müssen. Falls er die Prüfung nicht besteht, benötigt er eine starke Weisung zurück auf den richtigen Weg.
Ich habe nun einen simplen magischen Test durchgeführt, der einiger Vorbereitung bedurfte. Robert hat sich ohne Zögern bereiterklärt, die Prüfung seiner Treue über sich ergehen zu lassen und sie tatsächlich bestanden. Seine in letzter Zeit zutage getretene Undiszipliniertheit scheint also vielmehr auf seine Jugend zurückzuführen zu sein als auf seine innere Einstellung.
Ich sollte für eine Weile eine bestimmte Altersgruppe von jungen Frauen dann nicht mehr in meinem Gewahrsam nehmen, wenn die Möglichkeit besteht, dass er mit ihnen in Kontakt kommt. Auf das geplante, große Ritual werde ich allerdings nicht, wie bereits befürchtet, verzichten müssen. Er folgt meinem Weg. Wenn auch zuweilen etwas störrisch. Doch muss ich anmerken, dass er in der letzten Woche stets pünktlich war und keinerlei
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