Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
gab, dann hatte Elisa diese mit ihm erlebt.
Die Geister waren es gewesen, die ihn schlussendlich zu ihr gebracht hatten. Sie wussten selbst am besten, wessen Mannes Nachkommen sie in Zukunft zu dienen bereit waren, denn es handelte sich um vollständige, eigene Wesen mit Verstand, Gefühl und Willen. Aber dieser Part der Geschichte gehörte nicht zu den Dingen, die sie ihm erzählen wollte.
Robert machte eine plötzliche Bewegung, die Elisa aus ihren schweifenden Gedanken aufschreckte. Er ließ sich recht schnell auf den schneebedeckten Boden fallen und hielt, dort vor ihr hockend, für eine Weile den Kopf gesenkt. Elisa ahnte, was das zu bedeutete, doch ging sie mit keinem Wort auf dieses Verhalten ein. Sie wartete nur schweigend ab, bis er sie wieder ansah und bereit schien, ihr weiterhin Gehör zu schenken. Seine Miene wirkte versteinert, als er den Kopf hob.
"Du hast bereits von meinem Sohn gelesen", fuhr sie ungerührt fort. "Mein Mann ist schon lange hinübergegangen in die jenseitige Welt. Doch Asno lebt. Und mein Volk wird fortbestehen und den Tag erleben, der vor Hunderten von Jahren ausgerufen wurde: den Tag, an dem sie sich sammeln und an dem ihre wahre Identität offenbar werden wird. Sie werden den Grund erfahren, warum sie derart anders sind, als alle anderen Menschen. Mein Volk hat mehr Wissen über die immaterielle Welt zusammengetragen, als in allen Büchern dieser Welt verzeichnet ist. Jeder Einzelne von ihnen trägt eine Begabung in sich - und sei sie in vielen Fällen noch so gering - über den Rand dessen, was die Menschen Wirklichkeit nennen, hinauszublicken. Jeder von ihnen verfügt über seine spezielle Gabe , häufig nur Kleinigkeiten, die jedoch allesamt einen Fremden in Erstaunen versetzen würden."
Robert schüttelte leicht den Kopf. " Einen Fremden hat dies keineswegs erstaunt", warf er mit tonloser Stimme ein.
" Er wusste schon vorher alles über uns", bestätigte Elisa. "Er war da, bevor das Kindersterben einsetzte. Und er schien mir damals zu wundersam, um ihm zu widerstehen", gab sie zu, im selben Moment erstaunt und auch ein wenig verärgert über ihre eigene Offenheit. "Es war ein Fehler von mir, mich auf diesen Fremden einzulassen, ganz egal, als was er sich später auch entpuppte."
"Wie sehr", fragte Robert dazwischen, "hast du dich auf ihn eingelassen?"
Seine Stimme klang viel weniger kraftvoll, als noch vorhin auf ihrem gemeinsamen Weg hierher. Nun endlich war es auch nach außen sichtbar, dass sich hinter der harten Fassade ein Kampf abspielte, den er noch kurz zuvor meisterhaft vor ihr verborgen hielt. Elisa war sich gewiss, dass er nun nicht mehr lange bei ihr verweilen würde. Er musste wissen, in welcher Gefahr er schwebte.
"Genug, um ein Kind zu zeugen", erwiderte Elisa, die wusste, worauf seine Frage abzielte. Sie straffte sich und schaute ihm fest ins Gesicht. "Jolin war seine Tochter."
Er stemmte sich mit beiden Armen kräftig vom Boden hoch, doch Elisa entging es nicht, welche Anstrengung dies für ihn bedeutete. Bevor er wieder fest auf seinen Beinen stand, suchte er für eine Sekunde das Gleichgewicht. Aber trotz aller plötzlich aufgetretenen Anzeichen der Schwäche war das Funkeln in seine Augen zurückgekehrt und seine Stimme erhob sich diesmal so kräftig wie zuvor. "Jolin", stellte er mit unverhohlenem Zorn fest, "war zu keinem Zeitpunkt weniger dein Kind , als ihr großer Bruder. Du warst es, die ihren Vater wählte, nicht sie selbst."
Auch Elisa erhob sich nun von wieder von ihrem Platz.
"Ich hatte die Wahl, beide Kinder durch die Krankheit zu verlieren", entgegnete sie ihm mit Entschiedenheit, "oder eins von ihnen seinem Vater zu geben."
"Oder", ergänzte er in festem Ton, "um sie beide zu kämpfen."
"Nein", sagte sie. "Du weißt ja gar nicht ...".
"Er musste dich kaufen", unterbrach er sie barsch. "Du selbst sagtest, du hättest ihm ernste Probleme bereiten können. Wenn dies nicht nur ein Anflug falschen Hochmuts war, dann hättest du kämpfen können."
"Du urteilst zu schnell", mahnte sie ihn.
"Nein", gab er zurück. "Ihr beide seid aus einem Holz. Auch du schleichst auf leisen Pfoten herum. Auch du wählst den Weg des geringsten Risikos."
Er trat, merklich unsicher auf den Beinen, einen Schritt von ihr zurück.
"Glaube nicht", sagte er, "dass deine Opfer genügen werden."
"Sie werden genügen müssen" , erwiderte sie.
Er stieß verächtlich die Luft durch die Nase. "Du wirst nie frei sein, Elisa. Zuerst sterben deine Ungeliebten - und
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