Elwin - Rosenwasser (German Edition)
dieser scheinbar friedvolle Morgen, vermochte seine Stimmung nicht zu erhellen.
Schnell verwarf er den Gedanken, ließ den Blick über die Pflanzen am Wegrand schweifen, als plötzlich Paul aufgeregt rief. Tarveg sah zu ihm hinauf. Der Junge stand auf der linken Seite des Weges und deutete mit einer Hand auf etwas Dunkles unter einem Ginsterbusch. Luke eilte zu ihm, ließ die Tasche mit den gesammelten Kräutern fallen und zerrte mit Paul eine Kiste auf den Weg.
»Die Schatzkiste!«, brüllten die beiden in die Stille des Waldes. »Tarveg, wir haben die Schatzkiste gefunden!«
Dann geschah das Unfassbare. Drei Männer erhoben sich aus dem Waldboden. Sie hatten sich, in einer Senke liegend, mit Laub und losen Ästen getarnt.
»Nehmt eure Hände von der Kiste«, befahl der Anführer grob. Tarveg hörte hinter sich einen Stein auf dem Weg knirschen. Er riss den Kopf herum und starrte einen kräftigen Mann an, der in der rechten Hand ein Messer hielt.
Paul und Luke
Groohi war schweigsam an diesem Morgen. Seit er Rocko und dem Holzgrafen den Auftrag gegeben hatte, die Schatzkiste nachzubauen, sprach er nicht viel. Der Vorfall im Gasthaus am Vorabend bestärkte sein schlechtes Gewissen gegenüber Noel. Elwin wollte mit ihm sprechen, aber Groohi wies ihn ab, sagte, er habe keine Probleme mit der Entscheidung. Bereits seit dem frühen Morgen war Groohi auf den Beinen, hatte den Tisch gedeckt, war zum Konditor gegangen und hatte sein Lieblingsgebäck gekauft, das er Frühlingskekse nannte.
Elwin nahm am Tisch Platz und sah Groohi zu, wie er Schokoladenpulver in warme Milch rührte.
»Rocko und der Holzgraf müssten inzwischen ihre Arbeit beendet haben«, überlegte Elwin, um ein Gespräch mit dem Freund zu beginnen. Doch Groohi nickte nur und schwieg. Elwin stand auf, trat ans Fenster und sah hinaus. Die Gasse vor dem Haus war ruhig.
»Vielleicht konnten sie die Schatzkiste noch nicht aus Longor hinausbringen«, fuhr er fort. »Sie müssen die Wache passieren und so eine Kiste fällt sofort auf.«
»Die wissen, wie man so etwas macht«, brummte Groohi. Zu Elwins Überraschung verstummte er nicht wieder, sondern erklärte: »Der Holzgraf ist nicht gut zu Fuß. Er nutzt eine Karre für sein Werkzeug. Sie ist groß genug, um die Kiste hineinzustellen und unter einer Decke zu verstecken. Vielleicht sind sie auch, wie du gestern Morgen, in einem günstigen Augenblick mit einer Leiter über die Stadtmauer gestiegen.«
Elwin schaute abermals zum Fenster hinaus und sah Koltin auf Groohis Haus zueilen. Vier Ehrenwächter kamen ihm auf der Gasse entgegen. Koltin berichtete aufgeregt und deutete immer wieder mit der Hand zum Osttor. Dann trennte sich die Gruppe. Koltin und drei Wächter liefen zum Tor, ein vierter zum Marktplatz. Elwin hörte Rufe, hob die Ohren und lauschte.
»Was ist?«, fragte Groohi, der auf ihn aufmerksam wurde.
»Koltin war hier, läuft aber jetzt zum Tor zurück«, antwortete Elwin.
Groohi schaute Elwin fragend an, überlegte kurz, zuckte mit einer Schulter und goss in jeden Becher heiße Schokolade. »Setzt dich und lass uns frühstücken, dann gehen wir zu Noel«, sagte er.
Elwin zog einen Stuhl vor und nahm Platz. Kaum hatte er den Becher an den Mund gesetzt, glaubte er schon wieder, Stimmen und eilige Schritte zu hören. Er hob rasch die Ohren und lauschte. Diesmal hatte er keinen Zweifel. »Es muss etwas vorgefallen sein«, erklärte er leise. »Fünf bis sechs Leute in Stiefeln laufen durch die Gasse.«
»Kundschafter«, konnte Groohi noch gerade aussprechen, da rief jemand vor dem Haus seinen Namen. Er stellte den Becher auf den Tisch, sprang auf, stürmte ans Fenster und riss es auf. Ein Ehrenwächter stand vor dem Haus.
»Groohi! Groohi!«, rief er aufgeregt. »Die Kräuterheiler wurden überfallen.«
»Wer überfällt denn Kräuterjungs?«, entgegnete Groohi ungläubig. »Und wenn schon! Sollen sie eben neue Pflanzen suchen.«
»Sie haben die Schatzkiste gefunden«, antwortete der Ehrenwächter aufgeregt »und da wurden sie im Wald beraubt!«
»Woher weißt du das?«
»Paul, Travegs Helfer, rannte sofort nach Longor und alarmierte die Wachen. Er sagte, drei Männer hätten sie überfallen. Luke und Tarveg seien in Gefahr.«
»Wir kommen!«, rief Groohi, warf das Fenster zu, hastete zum Tisch, nahm einen großen Schluck aus seinem Becher und wischte sich mit dem Handrücken den Mund. »Verdammt«, schimpfte er, eilte zur Tür und zog die Stiefel an. »Wenn ich die in die Hände
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