Elysion: Roman (German Edition)
er jetzt, auch wenn es nicht besonders freundlich wirkte, und er hatte Ruby geholfen oder es zumindest probiert. Vielleicht würde er ihnen sogar gegen das Monster helfen, wenn es kam.
Sie begann zu erzählen …
16
Cooper wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wenn sie noch irgendwelche Zweifel an der Schreckensvision ihres Vaters gehabt hatte, zerflossen diese gerade auf ihrem Gesicht. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber die Hitze fühlte sich anders an.
Allgegenwärtig.
Penetrant.
Tückisch.
Als ob jedes Atom ihres Körpers langsam von der unsichtbaren Strahlung geröstet wurde.
Und je näher sie auf der Suche nach ihrem Vater dem Reaktor kam, desto schlimmer wurde es. Zu alledem lag ein seltsamer, wie künstlich riechender Gestank in der Luft, der ihren Geruchssinn nach und nach narkotisierte.
Sie zog die Wegbeschreibung, die sie nach einem Computerlageplan des Instituts gefertigt hatte, aus ihrer Tasche. Das Papier fühlte sich pappig an. Im grünen Halbdämmer fuhr sie die Linien mit dem Zeigefinger nach. Der Zugang zum Reaktor lag hinter einer Ecke, die sie in einigen Metern Entfernung schon sehen konnte. Sie schauderte. Ein Teil von ihr hatte die ganze Zeit über innig gewünscht, nie hier anzukommen, doch die Sorge um ihren schwer verletzten Vater hatte sie vorangetrieben, Schritt für Schritt.
Sie schob die Umhängetasche, in die sie ein paar Medikamente, Wasser und Verbände eingepackt hatte, von ihrer Hüfte wieder auf den Rücken, wo sie weniger auf ihrer feuchten Haut scheuerte. Dann bog sie um die Ecke.
Der Gang, der daraufhin vor ihr lag, war vielleicht zwanzig Meter lang. Die einzige Tür befand sich ganz am Ende. Eine ovale Stahltür mit einem Bullauge und einem Rad zum Öffnen der Verriegelung. Sie hatte so etwas schon in verlassenen Fabrikgebäuden gesehen. Nichts Besonderes eigentlich. Aber im Halbdämmer erschien ihr die Tür fast wie ein lebendes Wesen, ein Zyklopengesicht, das sie unverwandt anstarrte.
In der Mitte der Tür befand sich ein Warnschild mit einem Symbol, das ihr vage bekannt vorkam. Sie suchte nach irgendwelchen Anzeichen dafür, dass die Tür vor Kurzem geöffnet worden war, aber da war nichts zu sehen. Es gab keinen anderen Weg, als hineinzugehen und zu hoffen, dass ihr Vater dort zu finden war.
Je näher sie der Tür kam, desto bösartiger glotzte das Bullauge sie an. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und presste die Nase gegen das Glas. Ein Raum. Klein. Ebenfalls grüne Notbeleuchtung. Blinkende Lichter in diversen Farben an der linken Wand. Eine zweite Tür auf der gegenüberliegenden Seite, die fast genauso aussah wie die, vor der sie stand. Eine Art Durchgangszimmer mit ein bisschen Technik an der einen Seite. Nichts Auffälliges … oder?
Ein Bündel unten vor der Wand …
Nein.
Kein Bündel. Ein Mensch. Zusammengesunken. Helle, lange Haare. Die Kleidung.
O mein Gott.
»Stacy!«
Cooper schrie den Namen heraus. Das Bündel rührte sich nicht. War sie …? Nein! Cooper trommelte mit den Fäusten gegen die Tür. Erst dann fiel ihr das Rad wieder ein. Sie riss an dem Stahlring. Die aufgeplatzte Schicht aus dickem Lack schnitt ihr in die Handflächen. Dann – plötzlich – drehte sich das Rad mit erstaunlicher Leichtigkeit. Sie konnte hören, wie sich die Verriegelung in der Tür verschob, bis sie den Anschlag erreichte. Sie zog, und die Tür schwang auf.
Cooper stürmte in den Raum. Ein Hitzeschwall flutete ihr entgegen, ließ sie zurückprallen. Sie zwang sich nach vorn. Kniete sich neben den Körper. Betastete Stacys Haut.
Feucht.
Warm.
Lebendig?
Auf einmal bewegte sich der Kopf ein wenig. Ein kaum hörbares Ächzen. Cooper atmete auf. Sie ergriff Stacys Hand, schob den Ärmel ein Stück nach oben und kniff so fest sie konnte zu. Ein etwas deutlicheres Stöhnen. Gut. Aber die Falte, die ihr Kneifen gebildet hatte, sank nur langsam in die Haut zurück. Sie riss sich die Tasche vom Rücken, zog einen Infusionsbeutel heraus und schloss kurzerhand einen Gummischlauch an, den sie geistesgegenwärtig mit eingepackt hatte. Dann öffnete sie die Verriegelung des Beutels und …
Rums!
Mit einem trockenen Krachen schlug die Tür, durch die sie den Raum betreten hatte, zu. Panisch ließ Cooper den Beutel fallen und sprang auf. Von innen gab es nur einen Griff. Sie drückte mit aller Kraft. Nichts. Die Tür bewegte sich nicht einen Millimeter. Irgendwer hatte von außen … Sie presste das Gesicht an das Bullauge. Es dauerte eine Weile, bis sie in
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