Elysion: Roman (German Edition)
Notbeleuchtung. Cooper hatte das Gefühl, als ob sich der Erdboden unter ihr auftun würde, um sie zu verschlucken.
»Cooper, bitte …«, flehte eine Stimme unter ihr, doch die hörte sie nur wie aus weiter Ferne.
Ein Teil von ihr war auf einmal überzeugt, es schon immer gewusst zu haben. Als ob Brent nur den Schleier von jenem Fragment ihres Bewusstseins gerissen hatte, das sie bisher vor sich selbst verhüllt hatte.
»Bitte, verzeih mir, Cooper«, bettelte Stacy. »Sag, dass du mir verzeihst. Bitte.«
»Halt den Mund«, hörte Cooper sich selber sagen.
»Es tut mir so leid, Cooper«, flehte die Stimme wieder.
Sie spürte nichts. Fast wunderte sie sich selbst darüber. Da war kein Schmerz, kein Mitleid, erst recht kein Hass. Einfach gar nichts. Taubheit. Schreckliche öde Leere.
»Leb wohl, Cooper«, schluchzte die Stimme.
Die Bedeutung von Stacys Worten träufelte nur langsam in ihr Bewusstsein. Zu langsam. Als sie begriff, war es zu spät.
»Stacy!«
Ein Gurgeln war die grausige Antwort. Das Skalpell entfiel Stacys Hand. Ihre Kehle klaffte weit auf.
Cooper versuchte hilflos, die breite Schnittwunde, aus der das Blut in dicken Strömen pulsierte, mit bloßen Händen zu verschließen, während Brents Gelächter durch den Raum gellte. Stacy zuckte ein paarmal krampfartig zusammen. Ihre Lippen bebten. Dunkler Schaum lief aus ihrem Mund.
Dann verschwand jegliche Spannung aus ihrem Körper, und sie lag still, den leeren Blick der weit geöffneten Augen zur Decke gerichtet, als ob sie bereits den Himmel erblickte.
Ungläubig kniete Cooper vor dem Körper ihrer Freundin. Ihr Schweiß und ihre Tränen tropften von ihrer Kinnspitze auf Stacys Hals und bahnten ein helles Rinnsal in ihr Blut.
»Sind wir nicht eine tolle Familie geworden?«, höhnte Brent so nah neben ihrem Ohr, dass sie seinen Atem spüren konnte.
Es schüttelte sie vor Abscheu, aber sie war zu kraftlos, um irgendetwas zu erwidern.
»Freaks sind wir alle. Ich hab’s dir gesagt. Familie Freak«, dröhnte er. »Und Stacy ist jetzt der größte Freak von uns allen.« Er trat so wuchtig gegen Stacys Kopf, dass Cooper die Nackenwirbel knacken hörte.
»Du elendes Schwein!«, schrie sie.
Kaum einen Wimpernschlag später fand sie sich mit dem Rücken an der Wand wieder, Brents klebrige Hand an ihrer Kehle, sein Mund dicht an ihrem Ohr. »Ich glaube nicht, dass du in der Position bist, dir über mich ein Urteil zu erlauben.«
Er schob sie mühelos in die Höhe. Sofort begann sich das Blut in ihrem Kopf zu stauen. Schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen.
»Irgendwelche letzten Worte?«, fragte er.
Cooper kämpfte verzweifelt darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren, das sich im grünen Zwielicht des Zimmers auflösen wollte.
»Dann eben nicht«, klang es an ihr Ohr.
BARAMM!
Die Erschütterung war gewaltig und ließ die Wand hinter ihrem Rücken vibrieren. Sie spürte, wie der Druck an ihrem Hals nachließ, dann rutschte sie zu Boden.
»Was zum …?«, brüllte Brent über ihr.
Weiter kam er nicht, denn die Tür auf der Rückseite des Raumes sprang auf, und eine Flut von Wasser ergoss sich mit ohrenbetäubendem Brausen in die kleine Kammer.
Schlagartig kehrte mit der Kälte das Leben in Cooper zurück. Die immense Gewalt der Strömung riss sie mit und schmetterte sie gegen die Wand neben der ersten Tür. Vor ihr trieb Stacys Leiche in den Fluten.
Vater, dachte sie. Er hat es geschafft.
Das Wasser, das hereinströmte, roch nach Leben. Kein steriles Kühlwasser. Der Reaktor war geflutet. Ob es die Kernschmelze, von der ihr Vater gesprochen hatte, verhindern würde? Und was war mit ihrem Vater?
»Nein!«
Mit einem markerschütternden Wutschrei stemmte sich das Monster, das einmal Brent gewesen war, gegen die Fluten und krallte sich an die nutzlose Verriegelung der hinteren Tür. Der Raum war bereits zu drei Vierteln mit eiskaltem Wasser gefüllt.
Als hätte irgendein Derwisch von ihrem Körper Besitz ergriffen, strampelte und ruderte Cooper in dem verzweifelten Versuch, nicht nach unten gezogen zu werden. Die Decke war kaum noch einen halben Meter von dem sprudelnden Wasser entfernt. Als sie wieder einen kurzen Blick zur anderen Seite des Raums riskierte, war Brent verschwunden. Sie war allein.
Das Wasser stieg, jetzt zwar etwas langsamer, aber dennoch unaufhaltsam. Kaum noch zehn Zentimeter kostbare Luft. Sie legte den Kopf in den Nacken.
Es ist aus, sagte ihr eine innere Stimme.
»Hilfe!«, schrie sie, obwohl sie wusste, dass es
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