Elysion: Roman (German Edition)
den Raum flackerte, hob und senkte sich sein Brustkorb.
»Wer, zum Teufel, seid ihr?«, sagte er. Er sprach nicht sehr laut, aber gut hörbar.
Niemand antwortete. Ein paar der Kleinsten fingen an zu weinen. Mara weinte nicht. Tatsächlich hatte sie so viel Angst vor dem großen Messer in der Hand des Mannes, dass sie beschloss, so zu tun, als ob sie gar nicht da wäre.
Der Mann trat in den Raum und schloss die Tür hinter sich.
»Du da!« Er zeigte auf Marcus, der vor Schreck seinen Beutel fallen ließ, dessen Inhalt sich über den Boden ergoss. »Sag mir, wer du bist, oder ich schneide dir die Ohren ab.«
Marcus saß mit einem Mal ganz still. Vermutlich versuchte er die gleiche Taktik anzuwenden wie Mara selbst. Doch es half ihm nichts. Der Mann stampfte an den anderen Kindern vorbei auf ihn zu, riss ihn mit einer Hand am Kragen in die Höhe, sodass seine kleinen Füße in der Luft baumelten, und hielt ihm das Messer vors Gesicht.
»Wird’s bald?«, brüllte der Mann.
Trotz des schwachen Lichts konnte Mara sehen, wie sich ein dunkler Fleck in Marcus’ Schritt ausbreitete. Sie räusperte sich. »Ich bin Mara. Das ist Marcus. Der da ist Peter, und das ist …«
Sie verstummte abrupt, denn der Mann ließ Marcus fallen wie ein Stück Holz und stampfte auf sie zu. Kurz vor Rubys Bett blieb er stehen. »Ist mir egal, wie ihr heißt . Mich interessiert, wer ihr seid . Woher kommt ihr? Ihr seht aus wie verdammte Amish. Seid ihr Waldkinder?«
Mara war sich nicht ganz sicher, ob sie verstand, was er sagte.
»Seid ihr aus dem Wald?«, wiederholte er. Es klang nicht mehr ganz so böse, auch wenn das Messer immer noch in seiner Hand blitzte.
Sie nickte.
»Wie seid ihr hergekommen?«
»Durch das Loch«, antwortete sie.
»Geklettert?«
Sie nickte erneut.
»Sind das alle von euch?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wo sind die anderen? Sind Erwachsene dabei?«
Mara überlegte kurz. Das war gar nicht so einfach zu erklären. »Da sind noch Jimmy und Rasim und das komische Mädchen. Die sind größer als wir, aber keine Erwachsenen so wie du oder der Pontifex.«
»Sagtest du Pontifex?« Der Mann hob eine Augenbraue.
»Ja. Aber der ist verletzt. Hier.« Sie zeigte auf ihren Bauch.
Der Mann seufzte und schüttelte den Kopf. »Okay. Um die kümmere ich mich später. Was ist mit der Kleinen hier los?«
Er zeigte auf Ruby.
»Ruby ist krank«, sagte Mara.
»Das sehe ich selbst. Sie hat wohl die Masern.« Sein Blick huschte einige Momente lang über das Regal rechts neben ihm. Dann ging er darauf zu, hockte sich hin, zog eine Schachtel aus einem der unteren Fächer, kam zurück und zeigte sie Mara. »Hier. Wir geben ihr ein bisschen Ribavirin, dann geht es ihr bald besser.«
Mara war sich nicht sicher, wie sie sein seltsames Verhalten einschätzen sollte. Eben noch hatte er Marcus die Ohren abschneiden wollen, nun wollte er der kranken Ruby helfen. Vor ihren staunenden Augen zog er einen Streifen mit Kugeln aus den Schachteln. Sie sahen aus wie die, die das merkwürdige Mädchen Ruby verabreicht hatte, nur dass diese hier gelb waren.
»Habt ihr etwas zu trinken?«
»Ja.« Sie eilte davon, holte einen der Beutel, die überall auf dem Boden herumlagen, und reichte ihn dem Mann, der sie etwas erstaunt anstarrte.
»Kochsalzlösung. Gar nicht dumm.« Er lachte. Mara wusste nicht genau, warum. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass er sein Messer wegsteckte, nachdem er ein kleines Loch in den Beutel gebohrt hatte. Dann hockte er sich zu Ruby und verabreichte ihr die gelben Kugeln mit etwas von der salzig-süßen Flüssigkeit, um anschließend den Rest des Beutels mit gierigen Zügen zu leeren. Er rülpste vernehmlich, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und starrte Mara so lange an, bis es ihr peinlich wurde und sie den Blick senkte.
»Wie heißt du noch mal?«
»Mara.«
»Also, Mara. Mein Name ist Christian McCann. Dort draußen läuft ein verrücktes Monster rum, das mich gern haben möchte. Sollte es uns hier finden, sind wir alle tot. Aber vielleicht habe ich es auch abgehängt. Wie auch immer, während wir hier auf den Tod warten oder eben auch nicht, wäre es Unsinn, sich zu langweilen, meinst du nicht?« Er grinste. »Also erzähl mir alles, was du so weißt, über den Wald, den Pontifex, das komische Mädchen und so weiter.«
Mara legte den Kopf schief. Ein Monster? Auf den Tod warten? Das klang böse. Auch sah der Mann eigentlich nicht weniger schrecklich aus als vorhin, andererseits lächelte
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