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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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verschränkt hatte. »O mein Gott, Kind! Was ist mit dir passiert?«
    Das war offensichtlich mehr, als Stacy ertragen konnte. Sie fiel in Big Mamas Arme und begann hemmungslos zu schluchzen.
    »Was hast du mit ihr angestellt?«, fuhr Big Mama Brent über Stacys Schulter hinweg an.
    »Nichts. Gar nichts«, fauchte er wütend.
    Das war wieder mal typisch. Big Mama hatte ihn von Anfang an gehasst. Er hatte es in ihren Augen lesen können, an jenem Abend vor etwa einem Jahr, als er mit Stacy das erste Mal hergekommen war. Er und sein großer Bruder Rip waren auf einem Barbecue gewesen, das Bill Sonstwie, der Sohn von irgendeinem Bandenchef in Compton, zu seinem Achtzehnten abgehalten hatte. Sein Vater hatte wochenlang vorher von seiner Gang die Stadt mit Plakaten bepflastern lassen. Trotzdem hatten sie sie beinahe übersehen.
    Ein paar Dutzend Teenager waren dort gewesen; sie waren aus fast allen Vierteln der Stadt gekommen. Wahrscheinlich, so hatte Rip gefeixt, war dort überhaupt die gesamte U21 des Staates versammelt. Unter den Gästen waren auch Cooper und Stacy gewesen. Die hübsche Blondine war ihnen sofort aufgefallen. Vielleicht auch deswegen, weil sie wie ein Gänseküken hinter diesem seltsamen kleinen Mädchen mit dem Stachelputz herlief, das sich für die Party ausgerechnet in einen schmierigen Blaumann geworfen hatte. »Achtung, Kampflesbe«, hatte Rip ihm ins Ohr geraunt. »Achte drauf, wie ich die Blonde von ihr loseise.« Und dann, noch bevor Brent irgendetwas hatte erwidern können, war er mit drei Dosenbier aus seinem persönlichen Vorrat losgezogen.
    Normalerweise räumte Rip immer die ganzen Puppen ab, aber diesmal hatte er Pech gehabt, und Brent war einige Stunden später im Wandschrank des Schlafzimmers von Bills Vater zum Zuge gekommen. Die Erinnerung daran verschaffte ihm immer noch ein warmes Gefühl zwischen den Schenkeln. Doch als Stacy ihn am selben Abend Big Mama vorstellen wollte, hatte die ihn sofort spüren lassen, dass er ihre Adoptivtochter ihrer Meinung nach nicht verdiente.
    Big Mama mochte zwar verarmt sein, aber sie hielt sich offensichtlich immer noch für so eine Art Stadtadel, was Stacy wohl mit einschloss. Damit war Brent, die Waise, Brent, das Straßenkind, Brent, der Sammler, natürlich unter Stacys Würde. Und daran hatte sich bis heute nichts geändert.
    Nur widerwillig hatte Big Mama zur Kenntnis genommen, dass Cooper, ihr zweites Findelkind, ihn nach einer Art Bewährungsprobe zu einem vollwertigen Mitglied der »Malach-Killer« erklärt hatte, wie Cooper ihr kleines Unternehmen nannte. Wenigstens hatte diese Tatsache dazu geführt, dass er im Haushalt geduldet wurde, auch wenn Big Mama kaum eine Gelegenheit ausließ, ihn wissen zu lassen, wie sehr sie sich wünschte, er würde bald wieder verschwinden. Das könnte dir so passen, du alte Hexe, hatte er sich stets gedacht. Wenn er ganz ehrlich zu sich selber war, machte der Umstand, dass er Big Mama ärgern konnte, indem er mit Stacy zusammenblieb, nicht wenig von dem Reiz aus, den Stacy auf ihn ausübte.
    Big Mama hatte die weinende Stacy mittlerweile auf einen Stuhl bugsiert und begann die Wunde mit irgendeiner selbst gepanschten, übel riechenden Salbe zu versorgen.
    »Was ist mit ihrem Finger passiert?«, fragte sie. Ihre Stimme klang kalt und schneidend wie immer, wenn sie zu Brent sprach.
    »Lass mich bloß aus dem Spiel!«, rief er wütend. »Das hat sie sich ganz allein eingebrockt.«
    Das mochte zwar keine besonders vollständige oder faire Wiedergabe der Ereignisse sein, aber Big Mamas Art, ihn grundsätzlich für alles verantwortlich zu machen, was bei Stacy so schieflief, trieb ihn regelmäßig zur Weißglut.
    Er stampfte durch die ehemalige Werkshalle, die sich über den gesamten dritten Stock erstreckte und die ihre Wohnung darstellte. Hinten, in der entferntesten Ecke, befand sich sein und Stacys Zimmer, ein mit gemauerten Wänden abgeteiltes Viereck, in dem sich wohl ehemals das Büro des Werksleiters befunden hatte. Big Mama bewohnte ein ähnliches Zimmer auf der anderen Seite, während sich Coopers Zimmer ein Stockwerk höher befand und über eine Wendeltreppe in der Mitte der Halle erreichbar war.
    Mit lautem Knall warf er die Tür hinter sich zu und schmiss sich auf den Stapel aus Matratzen und muffigen alten Decken, den er und Stacy ihr Bett nannten. Eine einsame Stubenfliege umschwirrte laut surrend den großen Kerzenkandelaber an der Decke über dem Bett.
    Arrogante alte Hexe. Eines Tages werde ich dir

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