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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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etwas gezählt. Sie seufzte.
    »Was ist, Mama?«
    Sie schüttelte nur den Kopf und wies stumm auf den großen Haufen trockener Wäsche auf dem Tisch. Schweigend machte sich Jimmy an die Arbeit. Während sie ein großes Tischtuch auf Reste von Feuchtigkeit überprüfte, beobachtete sie ihn. Sein Profil im Licht der Sonne, das durch die Tür in den einzigen Raum ihrer kleinen Hütte drang. Er war fünfzehn und hatte schon erste Bartstoppeln am Kinn. Lange Arme und Beine. Die Schultern eingerollt, als würde er versuchen, seine Größe zu verstecken. Es war jenes Alter, in dem nichts zusammenzupassen schien. Sie hatte es bei anderen Jungen im Dorf gesehen. Doch hinter all den linkischen Bewegungen, den knochigen Gliedern konnte sie bereits den Mann erahnen, der er einmal sein würde. Eines Tages würde er genauso groß und stark sein, wie sein Vater es gewesen war. Eines Tages würden die Mädchen ihm heimlich nachschauen, so wie sie selbst damals Ben nachgeschaut hatte. Eines Tages, wenn nicht …
    Sie bemühte sich, den Gedanken zu verscheuchen, der wie eine dunkle Wolke über ihr lastete, doch es wollte ihr nicht gelingen.
    Ungeduldig riss sie Jimmy ein Kleid aus den Händen, das er ungeschickt zu falten versuchte. Statt mit etwas anderem fortzufahren, steckte er seine Hände daraufhin in die Taschen und beobachtete sie stumm, bis sie das Schweigen nicht mehr ertrug.
    »Was?«, platzte es aus ihr heraus.
    »Fragst du mich , Mutter? Du bist doch diejenige, die seit Tagen kein Wort mehr mit mir redet.«
    Sie biss die Zähne zusammen und drehte ihm den Rücken zu, damit er nicht sehen konnte, dass ihre Augen schlagartig feucht wurden.
    »Sag es doch einfach!«, erklang es hinter ihr. »Sag, was ich für ein Idiot bin!«
    Es war zu viel. Sie fuhr herum. »Als ob das noch helfen würde.« Sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. »Sag mir lieber, warum.«
    »Warum was?«, fragte er.
    »Warum musstest du auch noch Sean da hineinziehen? Ich meine, nicht genug, dass du mit deinem eigenen Leben spielst. Du musstest auch noch deinen Bruder in Gefahr bringen!«
    Offensichtlich hatte sie einen wunden Punkt berührt. Er wich ihrem Blick aus und schluckte schwer.
    »Das war nicht meine Absicht«, sagte er schließlich leise. »Wir haben ihm gesagt, er soll verschwinden, aber er wollte einfach nicht hören.«
    »Wir?« Wütend knüllte sie das Tuch zusammen, das sie gerade hatte falten wollen, und schleuderte es in die Ecke. Kleine Aschepartikel vom Herd vollführten im Licht der Sonnenstrahlen einen hektischen Tanz. »Ich habe doch gewusst, dass dein feiner Kumpel mit drinsteckt!«
    »Lass Patrick aus dem Spiel!«, sagte er trotzig.
    »Tausendmal habe ich dir gesagt: Halt dich von diesem Kerl fern! Sein Vater ist ein Versager und ein Säufer.«
    »Ist er nicht. Pats Vater ist cool. Er und Pat sind die Einzigen, die die Reeks durchschauen.«
    Maureen rang einen Moment um Fassung. Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
    »Ich will dieses Wort in meinem Haus nicht hören«, fauchte sie. »Das ist Blasphemie. Allein für das Aussprechen können sie dich töten.«
    »Aber Mum. Es sind keine Götter oder so was, sondern Monster. Sie sind gekommen, um uns alle zu versklaven. Bestimmt werden sie irgendwann die gesamte Menschheit vernichten.«
    »Du weißt, dass das völliger Unsinn ist. Sie haben den Bürgerkrieg beendet. Ohne sie hätten wir uns alle gegenseitig zerfleischt. Sie sind Engel, die uns der Herr, unser Gott, geschickt hat, um uns zurück auf den rechten Weg zu führen.«
    »Und warum bringen sie uns dann um? Letzte Woche haben sie Bruce McDermott vor den Augen seiner Kinder getötet.«
    Maureen musste schlucken. Sie war selber dabei gewesen. Seine Worte riefen die Bilder wieder aus dem finsteren Winkel ihres Bewusstseins hervor, in den sie sie verdrängt hatte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Er wusste, worauf er sich einließ, als er in das Vorratslager einbrach.«
    »Und dafür haben die Reeks ihm die Hände abgerissen und ihn dann jämmerlich verbluten lassen. Dabei wollte er nur ein bisschen mehr zu essen für seine Kinder. Die Zuteilung ist viel zu mager für eine achtköpfige Familie.«
    Er hatte recht, was die Rationen betraf; die waren wirklich knapp bemessen. Aber der Wald, der sich über alles Land jenseits der Städte ausgebreitet hatte, zwang ihnen nun einmal dieses karge Leben auf. Eine Weile hatte man es mit Brandrodung versucht, aber das bisschen Acker, das man dabei gewonnen hatte,

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