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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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ließ. Sean rutschte aus den Armen des Monsters wie eine Marionette, der die Fäden durchtrennt worden waren. Dann wandten sich die beiden Malachim Jimmy zu.
    Irgendwo tief im Innern begriff er, dass sein Tod nun unausweichlich folgen musste, doch es berührte ihn nicht. Er konnte nur im Staub dasitzen und wie gebannt auf die beiden andersweltlichen Wesen starren, die in aller Seelenruhe auf ihn zukamen, ihrer Beute bereits gewiss.
    Weit hinter ihnen waren die Menschen zum größten Teil bereits aus dem Tempel geströmt. Die Rufe der Flüchtenden wurden leiser. Selbst das Prasseln der Flammen klang nicht mehr bedrohlich in seinen Ohren. Ein eigentümlicher Friede schien die Panik und das Chaos, die eben noch geherrscht hatten, verdrängt zu haben.
    Eine Hand griff nach ihm. Nie zuvor hatte ihn ein Malach berührt. Wie würden sich die hautlosen Muskeln und Sehnen anfühlen? Würde es schmerzen, wenn sie seinen Herzschlag zum Stillstand brachten, so wie sie es bei Sean getan hatten?
    Eine zweite Hand legte sich fest um das Handgelenk der ersten. Hautlos auch sie. Verwirrt blickte Jimmy zur Seite. Der Malach war bekleidet. Ein weiter Mantel mit einer Kapuze, die ihm halb vom Kopf gerutscht war. Er riss seinen Artgenossen von Jimmy weg. Nie wieder würde Jimmy den Ausdruck totaler Überraschung in dem Gesicht vergessen, das aus kaum mehr als Muskeln, Knochen und Sehnen bestand.
    Der Kapuzenträger beförderte auch den zweiten von den Malachim des Pontifex mit einem Tritt beiseite. Jimmy spürte schmale Hände, die ihm unter die Schulter griffen, drehte den Kopf und blickte in Patricks rötliches Gesicht. Er wurde auf die Füße gezogen. Andere Kinder standen keuchend neben ihm und beobachteten mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu den Kampf der drei Malachim, die hin und wieder zu einer einzigen fleischigen Masse verschmolzen, während sie über den staubigen Boden rollten.
    »Lauf!«, hörte er Patricks Stimme.
    Sein Blick fiel auf ein schmales Bündel schräg vor ihm. Patrick musste seine Blickrichtung bemerken, denn er rief: »Vergiss es, Bruder. Du kannst nichts mehr für ihn tun.«
    Jimmy zögerte.
    Patrick packte ihn am Kragen und schüttelte ihn. »Er hätte nicht gewollt, dass du auch draufgehst. Und jetzt lauf, verdammt!«, brüllte er.
    Jimmys Beine setzten sich in Bewegung, ohne dass er ihnen den Befehl dazu gegeben hätte. Die Welt huschte an ihm vorbei. Die drei Malachim, die immer wieder übereinander herfielen, blieben hinter ihm zurück, während ihm die anderen Kinder folgten.
    »Wohin?«, schrie irgendwer.
    »Ich weiß, wo wir uns verstecken können!«, rief Patrick. »Mir nach!«
    Jimmy stolperte hinter ihm her, unfähig, eine eigene Entscheidung zu treffen. Eine weitere Buche fiel krachend um und sandte einen gleißenden Regen aus Funken in den Tempel.

6
    »Mir stinkt’s«, sagte Cooper.
    »Und mir erst«, erwiderte Brent.
    Sie lachten. Brent schlug sich sogar auf die Schenkel.
    »Lasst das«, sagte Stacy und fügte im Flüsterton hinzu: »Das ist unhöflich.«
    Doch Gregory, ihr Gastgeber, hatte sie natürlich gehört. »Das ist schon okay, kleines Fräulein. Die beiden haben sicherlich recht.« Er grinste breit.
    »Aber warum tun Sie sich das an?«, fragte Brent.
    »Was?«, fragte Gregory. »In einem ausgedienten Klärwerk leben? Nun ja …« Er zuckte mit den Schultern. »Erstens hat es einen sehr praktischen Vorteil: Man bekommt hier so gut wie nie unerwarteten Besuch von irgendwelchem Gesindel. Die Leute denken wahrscheinlich, wo es so stinkt, gibt es nichts zu holen. Zweitens macht es mir eben nichts aus.« Er tippte neben seine Nase, wo eine breite Narbe parallel zum Nasenrücken verlief. »Ein Granatsplitter hat mir im Bürgerkrieg den Knochen zertrümmert und ein paar Nerven durchtrennt. Seitdem rieche und schmecke ich praktisch nichts mehr. Ihr sagt, es stinkt hier? Ihr könntet genauso gut behaupten, wir wären in einem Maiglöckchenfeld; meine Nase könnte es nicht unterscheiden.«
    Cooper schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte man diesen Gestank nicht wahrnehmen? Er war so durchdringend und allgegenwärtig, dass sie permanent mit einem Übelkeitsgefühl zu kämpfen hatte. Und die Wände des ehemaligen Klärbeckens, das er mit einer alten Zeltplane überdacht und mit Möblierung unterschiedlichster Herkunft ausgestattet hatte, waren von einer schmierigen braunen Substanz überzogen.
    Gregorys Äußeres hingegen stand im krassen Kontrast zu dieser Umgebung. Als wollte er

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