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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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Mann.
    »Du kannst es nicht sagen, Kevin. Und warum? Weil du ein guter Kerl bist. Ein anständiger Kerl. Familienvater. Gottesfürchtig. Einer von jenen Menschen, die nie von irgendjemand etwas erwarten, aber die sich selbst tagtäglich für die Gemeinde aufopfern.«
    Der Pontifex sah, wie Kevin bei seinen Worten immer mehr aufblühte, wie die Umstehenden ihn bei diesem überschwänglichen Lob neidisch aus den Augenwinkeln musterten. Genau die Emotionen, die er brauchte.
    »Du kannst es nicht sagen«, fuhr er fort, »weil du niemals die Sünde der Blasphemie begehen würdest.«
    Er machte eine dramatische Pause.
    »Nieder mit den Reeks!«
    Er schrie es heraus. Einfach so. Er hob sogar die Faust. Das verbotene Wort und auch noch aus dem Mund des Pontifex! Das brachte die Menge zum Überkochen. Genau, wie er es erwartet hatte. Die Leute redeten und riefen durcheinander. Einige zeigten anklagend auf die beiden Jungen auf der Plattform. Er hob die Hand, und erneut breitete sich Schweigen aus.
    »Wie also nennen wir die Sünde dieser beiden Jungen?«, fragte er.
    Sofort erhoben sich einige Stimmen, doch er brachte sie mit einer erneuten Handbewegung zum Verstummen. Alles lief perfekt. Die Menge war wie ein Orchester, und er war der Dirigent. Es bedurfte einiger Charakterstärke, sich nicht von diesem Gefühl berauschen zu lassen.
    Wieder ließ er den Blick über die Menge schweifen, bis er an einem hageren Mann hängen blieb. David Tenson. Der Pontifex ließ es auch diesmal so aussehen, als würde er ihn ganz zufällig herauspicken.
    »David Tenson. Wie nennen wir die Sünde dieser Jungen?«
    »Blasphemie«, antwortete der Mann.
    Seine Stimme war ruhig. David war kein Eiferer. Das konnte jeder hören. Im Gegenteil. Auch David hatte im Bürgerkrieg seine Familie verloren, das wussten die meisten, aber er trug diesen Verlust mit großer Würde, und die Leute hatten deswegen Respekt vor ihm. Der Pontifex gratulierte sich innerlich zu seiner Wahl.
    »Wie bestrafen wir Blasphemie?«, fragte er.
    David zögerte keinen Augenblick.
    »Mit dem Tod.«
    Ein schriller Schrei. Maureen Larson. Wieder redeten und riefen die Menschen durcheinander. Ein kritischer Punkt. Die Dinge durften jetzt auf keinen Fall aus dem Ruder laufen. Der Pontifex warf einem der beiden Malachim einen Blick zu. Der quittierte es mit einem Nicken. Die winzige Veränderung an seinem Kehlkopf war nur aus dieser Nähe zu erkennen.
    » Höret die Worte des Propheten!«, donnerte es über die Köpfe der Menge, mit einer Lautstärke, dass man meinte, die Erde müsste erbeben. Selbst für den Pontifex war es immer noch ein Wunder, über welche Kräfte seine Schöpfung verfügte, und er war sich sicher, dass er noch längst nicht alle davon entdeckt hatte.
    Stille.
    Er fuhr fort, bevor die Menschen Zeit hatten, ihren Schock zu überwinden. »Mit dem Tod, sagt David. Aber ich sage: Sind es denn nicht noch Kinder? War es nicht einfach nur ein Dummejungenstreich? Sollten wir nicht Gnade vor Recht walten lassen? Was sagt ihr?«
    Unsicherheit in vielen Gesichtern. So war die Masse. Sie wollte Führung, keine Zweifel, dachte er verächtlich. Zeit für den letzten Akt.
    »David, mein Freund. Du hattest eigene Söhne. Du hast sie verloren, und wir teilen deine Trauer. Sollten wir diese hier nicht verschonen, um ihrer armen Mutter das Leid zu ersparen?«
    Alle starrten erneut Tenson an. Der reckte das Kinn. »Meine Familie musste sterben, weil solche wie die da Regeln gebrochen haben.« Er erhob die Faust und drehte sich zu den anderen um. »Keine Gnade für die Frevler!«, brüllte er mit rauer Stimme. Einmal, dann noch mal und ein drittes Mal, bis die ersten Menschen in seinen Ruf mit einfielen. Schließlich skandierte es die ganze Menge.
    »Keine Gnade für die Frevler!
    Keine Gnade für die Frevler!
    Keine Gnade für die Frevler!«
    Die Leute waren frenetisch, während sich Tenson längst wieder umgedreht hatte und ihm kaum wahrnehmbar zuzwinkerte. Der Pontifex deutete ein Nicken an. Der neu geschaffene Posten des Gemeindekämmerers war auf jeden Fall sinnvoll investiert.
    Diesmal erhob er beide Arme, doch nur nach und nach wollte sich die aufgebrachte Menge beruhigen. Minuten vergingen, und seine Schultern schmerzten bereits, als endlich die letzten Rufe erstarben. Der Anblick zweier bleicher Gesichter in seinem Augenwinkel schnürte ihm kurz die Kehle zu. Aber nun war es ohnehin zu spät. Ihr Schicksal lag nicht mehr in seiner Hand.
    »Ihr habt euer Urteil gesprochen und

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