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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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euer Urteil lautet Tod!«, rief er der Menge zu. »Und durch euch spricht der eine wahre Gott! Nun ist es an mir, die Art des Todes zu bestimmen!«
    Er ließ seinen Blick abermals über das Meer der Köpfe schweifen. Die Gier nach dem blutigen Schauspiel, die er in den meisten Augen erkennen konnte, war zutiefst abstoßend. Aber so war der Mob nun mal. Wurde diese Gier nicht befriedigt, würde sie sich andere Kanäle suchen. Das Leben der Jungen war ein notwendiges Opfer, so tragisch dies auch war.
    »Du sollst geben Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß, Brandmal für Brandmal, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme. So steht es geschrieben im zweiten Buch Mose. Diese beiden Jungen haben Gottes Boten mit Worten geschmäht. Wer aber seine Engel schmäht, schmäht den Herrn selbst. Wir haben es also mit Blasphemie zu tun. Und was ist die richtige Strafe für Blasphemie?«
    Atemloses Schweigen. Hätte auch nur einer der Anwesenden geahnt, wie sehr der Pontifex als Wissenschaftler die Religion, dieses Opium der Massen, immer verachtet hatte. Aber erst die religiöse Verbrämung hatte seiner Schöpfung in den Augen dieser Menschen Legitimität verliehen. Die Leute brauchten solche Inszenierungen. Gegen künstlich erschaffene Wesen hätten sich die Menschen irgendwann aufgelehnt, aber niemals gegen himmlische Wesen wie Engel. Also würde er weiterhin den Pontifex und Propheten spielen müssen.
    »Die Antwort findet sich wiederum bei Leviticus, Kapitel 24, Vers 16: ›Wer Jachwehs Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen.‹ Ich frage euch, Gemeinde, seid ihr bereit, das Urteil zu vollstrecken?«
    Wiederum Schweigen. Hier und dort skeptische, ja, ängstliche Blicke. Der Pontifex spürte ein Prickeln im Nacken. Würde die Stimmung doch noch kippen?
    »Steinigt sie! Steinigt sie! Steinigt sie!«, skandierte eine Stimme in der vordersten Reihe, und die Menge fiel mit ein, erst Einzelne, dann immer mehr.
    David Tenson. Auf den Mann war Verlass.
    Der Pontifex atmete tief durch, gebot der Menge abermals zu schweigen. Dann winkte er die beiden Malachim heran. »Bringt sie nach u…«
    Seine letzten Worte gingen in einem ohrenbetäubenden Knall unter.
    Instinktiv schirmte er sein Gesicht in Richtung der Quelle des Lärms ab. Als er es schließlich wagte hinzusehen, brannten zwei oder drei nebeneinanderstehende Buchen am Rand des Areals, und unter ihm tobte das Chaos. Die Menschen rannten und stolperten in alle erdenklichen Richtungen und gingen dabei ohne jede Rücksicht vor. Wer nicht stark genug war oder einfach nur Pech hatte, wurde niedergestoßen und landete unter einem Meer von trampelnden Füßen. Schmerzensschreie, Zorn, schrille Angst. Fassungslos starrte der Pontifex auf die wimmelnde Hölle, in die sich der Tempel von einer Sekunde zur nächsten verwandelt hatte.
    Einige vernünftigere Seelen kämpften sich durch die panische Masse hin zu den brennenden Buchen, mit Eimern, die sie mit dem Wasser vom Brunnen vor dem Haupteingang gefüllt hatten, während andere beherzte Leute von außen her begannen, die betroffenen Bäume und ihre Nachbarn zu fällen, bevor ein regelrechter Waldbrand entstand.
    Die lange Hitzeperiode. Nur ein paar Tropfen Regen dann und wann. Der Wald war ausgedörrt. Wer immer das hier geplant hatte, setzte Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Leben aufs Spiel.
    Gerade wollte der Pontifex die Malachim losschicken, damit sie den Menschen beim Löschen halfen, als ihm eine seltsame Bewegung auffiel. Erst war es nur eine Gegenströmung im wogenden Meer der Flüchtigen, doch dann sah er die Leitern, wie sie sich langsam auf den Findling zubewegten, sah die jugendlichen Gesichter unter den Sprossen, und er begriff. Von drei Seiten wurden die Leitern gegen den Findling gestellt, und eine ganze Schar Jugendlicher machte sich daran, ihre Sprossen zu erklimmen. Ein Junge mit einem feisten, rötlichen Gesicht, der ihm vage bekannt vorkam, befand sich bereits auf halber Höhe. Den knappen Befehlen nach, die der Rotgesichtige den anderen zurief, handelte es sich um den Rädelsführer.
    Für einen Moment war der Pontifex vor Wut und Fassungslosigkeit wie gelähmt. Dann sah er, wie die Larson-Brüder auf eine der Leitern stiegen, um von der Plattform zu klettern. Der letzte Rest Mitleid, den er vielleicht noch empfunden hatte, verflog. Er wandte sich den zwei Malachim zu und befahl ihnen: »Tötet die beiden! Egal, wie!«

    Der Ruf

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