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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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sich ihre Freunde so und wollten ihr diese Tatsache unbedingt ausreden? Manchmal hatte sie das Gefühl, als ob Brent und Stacy ihr die Erinnerungen an ihre Kindheit neideten.
    Sie drückte sich aus dem Sessel hoch, schubste den immer noch grinsenden Brent rüde mit der Schulter zur Seite, ging hinüber zu ihrem Rucksack und begann mit einer Bestandsaufnahme. »Sobald wir hier raus sind, werde ich ihn suchen gehen«, rief sie entschieden.
    »Das ist doch lächerlich, Cooper!«, rief Stacy hinter ihr.
    »Das werden wir ja sehen«, murmelte sie, dann fügte sie lauter hinzu: »Ich brauch frische Luft.«
    Sie klemmte sich den Rucksack unter den Arm und steuerte die Leiter an, die aus dem Becken nach oben führte. Hinter ihr schickte sich Stacy an, ihr zu folgen, doch Brent hielt sie an der Schulter fest und schüttelte den Kopf.

    Cooper wühlte in ihrem Rucksack nach einem Schatz, den sie für Momente wie diesen aufgehoben hatte. Ein paar Knasterzigaretten, die sie schon vor Monaten einem Penner für eine Dose Bohnen abgehandelt hatte. Der »Tabak« war so trocken, dass die Hälfte davon in den Rucksack gerieselt war. Es würde ein kurzes Vergnügen werden.
    Sie zog ihr Benzinfeuerzeug aus der Hosentasche. Ein Geschenk von Big Mama. Der Spiritus, mit dem es jetzt gefüllt war, erzeugte eine geisterhaft blaue Flamme. Sie schloss die Augen und tat den ersten Zug. Für einen kurzen Moment löste sich die Welt in einer wunderbaren Schwere auf.
    Dann öffnete sie die Augen wieder und inspizierte ihre Umgebung. Mit angezogenen Knien saß sie auf dem Rand des Klärbeckens, in dem Gregory hauste, unter einem makellosen Sternenhimmel mit schmaler Mondsichel. Das benachbarte Becken hatte er mit durchsichtiger Plastikplane abgedeckt und zu einem kleinen Gewächshaus umfunktioniert, wie er erklärt hatte. Dort züchtete er Gemüse und Pilze, »mehr als genug für mich« . Die Erträge reichten sogar zum Tauschen, auch wenn er andere Menschen weitgehend mied.
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wohl wäre, so isoliert zu leben. Ohne Freunde. Denn Besuch wie ihrer war bei ihm eine absolute Seltenheit. Das war deutlich spürbar. Trotz seiner Freundlichkeit wirkte er im Umgang mit ihnen permanent unbeholfen. Als habe er seine sozialen Fähigkeiten über die Jahre komplett eingebüßt. Es schien, als ob er einfach nur vor sich hinlebte wie … wie … ein Baum oder so. Was trieb ihn an? Jeder lebte doch für irgendwas. Oder nicht? Zum Beispiel …
    Erschrocken stellte sie fest, dass sie diese Frage für sich selbst ebenfalls nicht beantworten konnte. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, musste sie eingestehen, bisher selbst nur von einem Tag zum nächsten gelebt zu haben, mal auf der Suche nach Essen, mal nach Medikamenten für Big Mama.
    Die Jagd nach den Malachim hatte viel Aufregung in ihr Leben gebracht, aber auch fast so eine Art Wohlstand. Und über all das hatte sie vergessen, wohin sie eigentlich wollte. Aber … hatte sie es jemals gewusst?
    Jedenfalls war mit der Jagd erst mal Schluss. Vielleicht war das der Grund, warum die Begegnung mit ihrem … ihrem … was auch immer es war, sie so sehr elektrisierte. Auf einmal hob sich da etwas aus dem grauen Alltag hervor. Eine schöne Erinnerung an glücklichere Zeiten. In ihren Träumen saß sie manchmal wieder als kleines Mädchen auf seinem Schoß. Doch es war mehr das Gefühl seiner Nähe, von dem sie träumte, als dass sie ihn hätte sehen können. Dennoch waren das ihre schönsten Träume.
    Und dann … hatte er auf einmal vor ihr gestanden. Ein Gespenst aus einer anderen Welt. Aber eines, das völlig real gewirkt hatte, das geschwitzt und geatmet hatte und …
    Schritte hinter ihr.
    Sie fuhr herum. Vor dem Nachthimmel zeichnete sich ein Schatten ab, der sich über den Beckenrand auf sie zubewegte. Sie sprang auf, ohne darüber nachzudenken, was sie da tat; es war reiner Instinkt. Die vielen Jagden im Wald hatten sie für immer geprägt.
    »Bleib sitzen, Coop. Ich bin’s.«
    Brents Stimme. Kaum hatte er gesprochen, erkannte sie ihn an seinem schaukelnden Gang. Er zog Rotz hoch und spuckte aus, wie eben nur er es tat. Als Kind hätte ihre Mutter ihr verboten, mit ihm zu spielen.
    Sie ließ sich zurück auf den Hintern sinken. Die Steinplatten waren von weichem Gras überzogen. Alles sehr angenehm. Hier draußen war sogar der Gestank einigermaßen erträglich.
    Brent setzte sich neben sie. »Gib mal her.«
    Er zeigte auf ihre Zigarette. Sie reichte sie ihm, und er

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