Elysion: Roman (German Edition)
knackte. Schließlich brach Brent das Schweigen. »Es wird bald dunkel. Und Freunde lässt man nicht hängen. Wir müssen sie finden.«
In Coopers Ohren hörte er sich nicht gerade wie ein Mann an, der sich um seine große Liebe ängstigte, dennoch hatte er recht. Es war noch dämmriger geworden, bald würden sie überhaupt nichts mehr sehen können. Wortlos warf sie sich erst einen und dann einen zweiten der Rucksäcke auf den Rücken. Brent würde den dritten und den Vorratssack schultern müssen.
Wenigstens war nun klar, welchen Weg sie einschlagen würden, jedenfalls solange Stacys Spur noch auszumachen war.
Eine halbe Meile später, als es schon recht dunkel war, sahen sie hinter sich den zuckenden Feuerschein des brennenden Hauses. Der Gedanke daran, was das Feuer außer dem Haus noch verzehrte, würde Cooper eine ganze Weile begleiten.
Er hatte sich auf der Wasseroberfläche ausgestreckt, über sich die Finsternis, unter sich die Brennstäbe. Wenn er sich auf seinen Körper konzentrierte, konnte er fühlen, wie ihn die Strahlung und die Hitze in immer neuen Schauern durchdrang. Es beruhigte seinen aufgewühlten Geist.
Er spürte, wie sein Körper den Zerfallsprozess der Brennstäbe unter ihm anheizte. Ohne Zweifel würde er die Anlage, die offensichtlich einer primitiven Art der Energiegewinnung diente, über kurz oder lang zum Kollabieren bringen. Noch aber herrschte um ihn herum nur ein sanftes Vibrieren.
Seit er diese Welt vor einigen Stunden betreten hatte, hatte er sich nach dieser Art von Ruhe gesehnt. Die Ruhe ermöglichte es ihm, seine Existenz zu reflektieren. Er wusste, dass er nicht ohne Grund hierhergekommen war. Er hatte eine Aufgabe. Die Aufgabe bestand in der Übermittlung einer Botschaft.
Die Botschaft lautete: Die Zeit ist gekommen!
Er wusste, für wen die Botschaft bestimmt war. Er musste den Empfänger nur noch finden. Während Hitze und Strahlung sein Dasein in immer neuen Wellen durchpulsten, ließ er seinen Geist in die Ferne ausschweifen.
»Kommt zu mir, meine Brüder. Versammelt euch um mich. Der Tag des Erwachens ist nahe.«
David Tenson wusste, dass es nun ernst wurde. Nach intensivem Grübeln hatte er sich entschlossen, zu pokern, und jetzt war es an der Zeit, dass er sein Blatt spielte. Im schlimmsten Fall verlor er ja nur seinen Kopf. Aber noch war es nicht so weit. Alle Umstehenden starrten ihn an, und ihre Mienen wirkten wenig freundlich. Nur kein falsches Wort jetzt. Ohne Zweifel balancierte er gerade auf einem sehr schmalen Grat. Entweder würden sie in ihm einen Revolutionär oder einen Verräter sehen.
Er ließ den Blick über die Menschen schweifen. Im Schein der Esse, um die sie sich versammelt hatten, waren nur die vorne Stehenden zu sehen. David spürte ihre Nervosität und Angespanntheit. Tief sog er die Luft ein. Es roch nach Feuer und versengtem Stein, als hätten sie sich in der Höhle eines Drachen versammelt.
David hatte die Runde, ein gutes Dutzend Frauen und Männer, mit Bedacht zusammengestellt. Ein paar sichere Verbündete waren dabei. Brigid McDermott, deren Mann Bruce wegen Lebensmitteldiebstahl hingerichtet worden war. Grier Hudspeth, dessen Sohn Patrick die Kinder angeführt hatte, die sich den Malachim entgegengestellt hatten und nun verschwunden waren. Einige andere Eltern von verschwundenen Kindern und auf des Pontifex Geheiß hin bestrafte Sünder komplettierten die Gruppe.
Ihren Gastgeber für diese kleine Soiree zählte David eher zu den Neutralen: Dale Gallardo, den Schmied. Es war Dale deutlich anzumerken, wie liebend gern er die illustre Runde vor die Tür gesetzt oder besser noch an den Pontifex verraten hätte. Allerdings wusste jeder in der Gemeinde, dass Dale nicht der Herr im eigenen Hause war, denn diese Rolle nahm eindeutig seine Frau Terry ein, und Terry war Atheistin; ihr Religionshass glühte nicht weniger stark als die aus Davids Sicht nur vorgeschobene Gottesehrfurcht des Pontifex, auch wenn Terry das im Gemeindealltag gut verbarg.
David hatte sie nach einem Gottesdienst beim Ausspucken einer Hostie erwischt. Hätte der Pontifex davon erfahren, hätte Terrys letztes Stündlein geschlagen. Doch David hatte ihr Geheimnis gewahrt, allerdings nicht ohne es sie wissen zu lassen. Gleichwohl hatte es eine Weile gedauert, bis er sich wirklich ihr Vertrauen erworben hatte. Natürlich hatte sie sein enger Kontakt zum Pontifex erheblich irritiert, aber es war ihm schließlich doch gelungen, sie davon zu überzeugen, dass dies keine
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