Elysion: Roman (German Edition)
Überzeugungskraft überschätzt? Aber es war zu spät für eine Umkehr. Jetzt musste er aufs Ganze gehen.
»Wie kommst du darauf, dass die Malachim Engel Gottes sind?«, fragte er Matthew herausfordernd.
Aufgeregtes Gemurmel und Getuschel. Ihm war bewusst, dass schon die Frage gefährlich war, aber wenn diese Leute ihm gegen den Pontifex folgen sollten, war es an der Zeit, dieses unsinnige Märchen als solches zu entlarven.
Matthew schien der Einzige, der nicht schockiert war. Er blieb ganz ruhig, während er antwortete: »Weil der Priester des lebendigen Gottes es uns gesagt hat. Zweifelst du an seinen Worten?«
»Engel?«, fragte David zurück. »Sehen sie für dich aus wie Engel? Handeln sie wie Engel? Wesen, die Kindern ohne Zögern das Herz herausreißen. Haben Engel nicht Flügel?«
»Gotteslästerung!«, rief eine männliche Stimme aus der hinteren Reihe.
Eine der Frauen konnte einen erschreckten Aufschrei nicht unterdrücken. Alle Köpfe ruckten herum, alle wandten sich dem Sprecher zu.
David kannte diese Stimme, und ihr Klang ließ das Blut in seinen Adern gefrieren. Eine schmale Gestalt trat in den Glutschein der Esse und schlug die Kapuze ihres Mantels zurück.
Der Pontifex.
David schluckte schwer. Wer hatte sie verraten?
Dann sah er wieder Matthew an. In dessen Gesicht war nicht die geringste Überraschung zu erkennen. Da wusste David, warum der Mann darauf bestanden hatte, die eintretenden Leute zu kontrollieren. So war niemandem aufgefallen, dass sich der Pontifex, verborgen unter dem Kapuzenmantel, unter ihnen befand. Er war so unglaublich dämlich gewesen.
Wieder fiel ihm Sun Tsu ein.
Die eigene List gewinnt den Krieg, die List des Feindes verdirbt den Sieg.
Er hatte verloren. Fast musste er über seine eigene Dummheit lachen. Wie durch einen Nebel registrierte er, wie eine der Frauen – war es Brigid McDermott? – vor dem Pontifex auf die Knie fiel und um Gnade winselte. Andere fielen ein.
Zivilisten, dachte er verächtlich.
Der Pontifex ignorierte das Flehen, trat auf David zu und baute sich direkt vor ihm auf. Schweigend starrten sie sich an. Auch wenn David sich nichts anmerken ließ, beschleunigte sich sein Herzschlag unter dem Blick des Mannes. Es war dieser abgrundtiefe Hass, der in den Augen des Pontifex loderte. David schluckte unwillkürlich, und sein Gegenüber bemerkte es offenbar, denn ein Ausdruck der Genugtuung huschte über sein Gesicht.
Dann wandte er sich ab und winkte Matthew. »Diese Leute bleiben in der Hütte! Sperr sie hier ein!«
Matthew nickte. Der Pontifex warf einen kurzen Blick in die Runde. Dann zog er sich die Kapuze wieder über den Kopf und verließ die Hütte. Matthew schlüpfte ihm hinterher. Gleich darauf war zu hören, wie sich jemand von außen an der Tür zu schaffen machte und eine Kette rasselte.
Dann herrschte Stille …
»Ist das sicher?«
Der Pontifex zog an der Kette, mit der Matthews Männer die Tür der Schmiede von außen verschlossen hatten. »Hier kommt keiner raus.«
Matthew wies auf den Rauchabzug, dessen breite Silhouette sich schwarz vom Nachthimmel abhob, und fügte hinzu: »Es sei denn, er könnte fliegen.«
Der Pontifex nickte nachdenklich, dann besah er sich Matthews Männer. Ein halbes Dutzend vierschrötiger Kerle, die etwas abseits von ihnen mit leisen Stimmen die jüngsten Ereignisse diskutierten. Matthew beschlich ein mulmiges Gefühl.
»He da!«, rief der Pontifex.
Alle wandten sich um.
Er wies mit dem Finger auf den, der ihm am nächsten stand, ein großer, ungeschlachter Kerl, dessen feiste Züge vom zuckenden Licht der Fackel in seiner Hand erhellt wurden. Matthew kannte ihn gut. Gabriel Gatwick, ein Zimmermann. Fast ein Nachbar. Kein heller Kopf, aber furchtlos und reaktionsschnell. Einer von Matthews besten Männern.
»Du. Komm zu mir!«, sagte der Pontifex in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete.
Der Mann zögerte kurz, dann setzte er sich in Bewegung und blieb einen Schritt vor dem Pontifex stehen, eine brennende Fackel in der Hand. Ein seltsames Bild, wie Matthew dachte, der eher hagere Pontifex und Gabriel, der Hüne, der seinen Herrscher um mindestens drei Köpfe überragte und dennoch für jeden offensichtlich einen Heidenrespekt vor der schmalen Gestalt hatte.
»Gib her!«, befahl der Pontifex.
Im Schein der Fackel nahm Gabriels Gesicht einen fragenden Ausdruck an. »Ich verstehe nicht …«
Statt einer Erklärung entriss der Pontifex ihm die Fackel.
»Herr!«, rief Matthew, dem
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