Elysion: Roman (German Edition)
konzentrierte und die Augen zusammenkniff, zeichneten sich vor diesem Dunkelblau die Bäume und andere Formen als dunklere Silhouetten ab. Doch Stacy ahnte sie mehr, als dass sie sie sah. Nur direkt vor ihr war es ganz finster.
Zu finster.
Groß und mächtig ragte er dort auf. Sie hatte ihn erst für einen Baum gehalten, aber irgendein Licht reflektierte in seinen Augen; wie zwei kleine Funken hingen sie über ihr in der Nacht. Wie lange mochte er dort schon gestanden haben?
»Worauf wartest du noch?«, fragte Stacy mit allem Trotz, den sie noch aufzubringen imstande war. »Mit mir geht’s sowieso zu Ende.«
Nichts. Schweigen. Wäre da nicht die Ahnung des steten Hebens und Senkens seiner Brust gewesen, er hätte ein Teil des Waldes sein können. Sie bemerkte, wie ihr all das zunehmend gleichgültig wurde.
»Das Gift verteilt sich in deinem Körper.«
Stacy zuckte zusammen. Sie hatte keine so menschliche Stimme erwartet. Von den Malachim war sie heiseres Gekrächze gewohnt. War das eine Art Täuschung? Der Versuch, sie einzulullen?
»Was kümmert es dich?«, fragte sie.
»Darf ich es aus dir herausholen?«
Stacy schüttelte verwirrt den Kopf. Waren das wirklich seine Worte gewesen? »Herausholen? Was meinst du damit?«
»Das Gift. Du hast noch etwa fünfzehn Sekunden, bis deine Atmung aussetzt.«
Was sollte das? Wollte er allen Ernstes ihr Leben retten? Aber warum? War das Teil von irgendeinem grausamen Jagdspiel? Die Fragen kreisten ihr durch den Kopf, dass ihr davon schwindlig wurde. Oder war ihr schwindlig, weil das Gift ihr bereits die Sinne vernebelte? Jedenfalls wusste sie wirklich nicht, was sie sagen sollte.
Eine Berührung am Arm unterbrach ihren Gedankenfluss. Die Haut um den Biss fühlte sich bereits ganz taub an, gleichwohl spürte sie den Griff des Malach, spürte, wie er sie in die Höhe zog, bis ihre Füße in der Luft baumelten. Ihr Schultergelenk knackte, aber sie fühlte den Schmerz nicht, nur das Gewicht ihres eigenen Körpers. Dann ließ er sie langsam nach unten sinken, bis ihre Zehenspitzen wieder den Boden berührten.
»Kannst du stehen?«
Stacy hatte wirklich keine Ahnung. Aber als sie ihr Gewicht ihren Füßen anvertraute, gelang es ihr mit einigem Schwanken, sich zu halten.
»Hier ist der Stamm eines jungen Baumes. Halt dich daran fest.« Er ergriff ihre linke Hand und legte sie an die Rinde. »Bleib so stehen und beweg dich nicht.«
Stacy hatte es aufgegeben, irgendwelche Fragen zu stellen. Nichts von dem hier ergab Sinn. Sie hätte sich nicht gewundert, hätte der Malach ihr verraten, dass sie sich bereits im Totenreich befand.
Zitternd stand sie da und stützte sich mit einer Hand am Baumstamm ab. Ihre Knie fühlten sich an wie mit Gummi gefüllt, und in ihren Ohren war ein seltsames Brausen.
Der Schatten vor ihr wurde größer, bis er schließlich ihr gesamtes Gesichtsfeld ausfüllte. Ihr Körper löste sich auf. Eine kribbelnde Wärme erfüllte sie von Kopf bis Fuß, angenehm und verstörend zugleich.
Auf einmal verschwand die Wärme, und dann befand sie sich wieder in der Realität. Da war auch kein Schwindelgefühl mehr, keine Müdigkeit. Sie spürte den kalten Nachtwind auf ihrer Haut, roch den moderigen Duft des Waldes.
»Das Gift ist nicht mehr in deinem Körper.« Der Malach stand so dicht vor ihr, dass sie sein feuchtes Fleisch riechen konnte. »Gib mir deine Hand.«
Als sie nicht reagierte, ergriff er ihre Rechte. Sie spürte das Spiel seiner Muskeln und Sehnen. Für einen Moment wollte Ekel von ihr Besitz ergreifen, aber sie kämpfte gegen das Gefühl an.
»Hier. Das Gift.« Er spuckte aus, und eine warme Flüssigkeit traf auf ihre Haut.
Eine Schrecksekunde lang konnte sie nur ungläubig auf ihre Handfläche starren und die dunkle Flüssigkeit darin. Dann schleuderte sie reflexartig ihren Arm mit einem kleinen Schrei nach außen. Die Flüssigkeit klatschte auf irgendwelche Blätter. Von Ekel geschüttelt rieb sie sich die Hand an ihrer Hose ab, bis ihre Handfläche heiß zu werden begann.
Sie merkte, dass sie zitterte.
»Was hast du getan?«, fragte sie. Ihre Stimme klang immer noch dünn und atemlos.
»Ich habe mich mit dir verbunden. Nur kurz. Mein Körper hat das Gift mitgenommen.«
Es klang wie die normalste Sache der Welt. Stacy schüttelte den Kopf.
»Warum bist du weggelaufen?« Da war weder Spott noch Häme in seiner Stimme, als er ihr die Frage stellte.
Stacy entschied sich für die Wahrheit. Was hätte sie auch sonst sagen können? »Ich
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