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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Feind
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Flan­dern-Schlacht schreck­li­che Ver­lus­te. Ein paar Ta­ge
spä­ter er­hiel­ten sei­ne El­tern nur ei­ne kur­ze Nach­richt, die be­sag­te, daß von
zwei­hun­dert er und sie­ben­und­zwan­zig an­de­re noch un­ver­wun­det wa­ren. An­de­rer­seits
be­kam An­net­te einen lan­gen Brief, in dem Ger­hard fast lei­den­schaft­lich einen
ge­wis­sen Mor­gen im Mai und den weiß­blü­hen­den Kirsch­baum hin­ter dem Kreuz­gang
des Doms in Er­in­ne­rung rief. Sein Va­ter schüt­tel­te den Kopf, als er den Brief
las. Er fühl­te sich den hö­he­ren Idea­len ver­pflich­tet und wä­re glück­lich
ge­we­sen, wenn sich sein Sohn ein we­nig he­ro­i­scher ge­zeigt hät­te. An­net­te leg­te
den eng be­schrie­be­nen Brief mit ei­nem Schul­ter­zu­cken bei­sei­te – sie konn­te sich
nicht mehr an den Mor­gen im Mai er­in­nern.
    Um
so grö­ßer war das Er­stau­nen der bei­den, als sie kurz da­nach er­fuh­ren, Ger­hard
ha­be so große Tap­fer­keit in der Flan­dern-Schlacht be­wie­sen, daß er im Feld
aus­ge­zeich­net und be­för­dert wor­den sei.
    Ei­ni­ge
Zeit da­nach kam er auf Ur­laub nach Hau­se, drah­tig, schlank und son­nen­ge­bräunt,
ganz an­ders, als An­net­te ihn sich nach den Brie­fen vor­ge­stellt hat­te. Im
Ge­gen­satz zu dem ge­schwät­zi­gen Stolz sei­nes Va­ters er­schi­en er dop­pelt ernst,
manch­mal so­gar geis­tes­ab­we­send und ei­gen­ar­tig zer­streut. Als er das ers­te Mal
mit An­net­te al­lein war, nach ei­ner merk­wür­di­gen, fast wort­lo­sen Stun­de mit
un­be­hol­fe­nem Um­her­schau­en und un­ver­mit­tel­ten Bli­cken, nahm er sie ganz
plötz­lich bei der Hand und frag­te sie, ob sie nicht hei­ra­ten könn­ten. Und er
blieb auf sehr be­harr­li­che und stil­le Wei­se da­bei, selbst als der Ein­wand kam,
sie wä­ren noch zu jung. Er war neun­zehn und sie noch nicht ein­mal sieb­zehn.
    Da­mals
war nichts Un­ge­wöhn­li­ches an has­ti­gen Kriegs­hei­ra­ten und -Ver­lo­bun­gen –
der­glei­chen ge­hör­te zu der all­ge­mei­nen Be­geis­te­rung. Nach der ers­ten mo­men­ta­nen
Über­ra­schung ge­wöhn­te sich An­net­te schnell an den Ge­dan­ken – sie kam zu dem
Schluß, daß es fas­zi­nie­rend wä­re, die ers­te in ih­rer Schul­klas­se zu sein, die
hei­ra­te­te – und sie moch­te den männ­lich wir­ken­den jun­gen Of­fi­zier recht gern,
der sich aus dem ver­träum­ten Ger­hard ih­rer Kind­heit ent­wi­ckelt hat­te, und mehr
als das war kaum not­wen­dig. Auch ih­re El­tern, wohl­ha­bend und gut­mü­tig und noch
da­zu pa­trio­tisch, ga­ben ih­re Zu­stim­mung und wa­ren so­gar an­ge­tan – die Hoch­zeit
wür­de den Vor­wand lie­fern für ein großes Fest.
    Die
Fei­er fand mit­tags statt. Am Nach­mit­tag wäh­rend des Hoch­zeitses­sens er­schi­en
ei­ne Son­der­aus­ga­be der Zei­tung, die von ei­nem neu­en großen Sieg an der Ost­front
be­rich­te­te. Ger­hards Va­ter ließ al­le ver­füg­ba­ren Zei­tun­gen her­ein­brin­gen und
las der Ge­sell­schaft die Be­rich­te laut vor. Zehn­tau­send Rus­sen
ge­fan­gen­ge­nom­men! Die Hoch­zeits­gäs­te über­lie­ßen sich ei­ner schwel­ge­ri­schen
Freu­de. Re­den wur­den ge­hal­ten, pa­trio­ti­sche Lie­der wur­den ge­sun­gen, und Ger­hard
in sei­ner grau­en Uni­form er­schi­en als die Ver­kör­pe­rung der Idea­le, von de­nen
sie al­le be­rauscht wa­ren.
    Der
Pries­ter
schüt­tel­te ihm die Hand, der Leh­rer klopf­te ihm auf die Schul­ter, sein Va­ter
sporn­te ihn an, wie­der mit der­sel­ben Ziel­stre­big­keit auf sie los­zu­ge­hen, und
al­le An­we­sen­den tra­ten vor, um mit ihm auf »Sieg, Ruhm und Glück in der
Schlacht« zu trin­ken. Ger­hard, der nur noch fins­te­rer und schweig­sa­mer ge­wor­den
war, sprang dar­auf­hin ganz plötz­lich auf, er­griff sein Glas, und wäh­rend die
Ge­sell­schaft in stum­mer Er­war­tung her­umsaß, setz­te er es so hef­tig wie­der auf
den Tisch, daß es zer­split­ter­te. »Ihr ...«, sag­te er, »ihr ...«, und mit dunklen,
glän­zen­den Au­gen schau­te er von ei­nem zum an­de­ren – »Was wißt ihr schon da­von?«
– und ging hin­aus.
    An
die­sem Abend und die gan­ze Nacht hin­durch re­de­te er auf­ge­wühlt mit An­net­te –
als wol­le er et­was

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