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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Feind
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einen wa­ren auch die
Aben­teu­er des an­de­ren – die ver­las­se­nen Gär­ten, die ge­wun­de­nen Gas­sen, die
Sonn­ta­ge mit Glo­cken­ge­läut, die Som­mer­wie­sen, die Däm­me­rung, die Ster­ne, der
Duft und der atem­lo­se, dunkle Zau­ber der Ju­gend – all dies hat­ten sie
ge­mein­sam. Spä­ter war es dann an­ders. Das Mäd­chen, früh­reif und hübsch,
er­lang­te die küh­le Selbst­be­herr­schung ei­ner ke­cken Sech­zehn­jäh­ri­gen. Sie ge­riet
plötz­lich aus dem of­fe­nen, ver­trau­ten Gar­ten kind­li­cher Ka­me­rad­schaft in das
Zwie­licht fas­zi­nie­ren­der Ge­heim­nis­se. Der jun­ge Ger­hard Jä­ger, der noch bis vor
kur­z­em ihr äl­te­rer Freund und Be­schüt­zer ih­rer Kind­heit ge­we­sen war, er­schi­en
ihr jetzt un­be­hol­fen, viel jün­ger als sie selbst, und in sei­ner
un­ent­schlos­se­nen Nach­denk­lich­keit schon fast lä­cher­lich. Sie hat­te die run­den,
glat­ten Din­ge im Le­ben gern, und es war nicht schwer, ih­ren Wer­de­gang
vor­aus­zu­sa­gen – er wür­de si­cher und fried­lich und ganz ge­wöhn­lich sein, mit
ei­nem re­spek­ta­blen Ehe­mann und ge­sun­den Kin­dern.
    Als
Ger­hard sein ers­tes Se­mes­ter an der Uni­ver­si­tät ab­ge­schlos­sen hat­te, wa­ren sich
die bei­den fremd ge­wor­den.
    Dann
kam der Krieg. Das all­ge­mei­ne Fie­ber der Be­geis­te­rung steck­te die Stadt an. Tag
für Tag tausch­ten mehr Pri­ma­ner und An­fangs­se­mes­ter ih­re bun­ten Stu­den­ten­müt­zen
ge­gen die grau­en Re­gi­ments­müt­zen der Frei­wil­li­gen. Und ih­re jun­gen­haf­ten
Ge­sich­ter sa­hen schon fast ent­rückt aus, ernst­haf­ter, äl­ter, aber auch schön in
ih­rer ju­gend­li­chen Be­reit­schaft zum Op­fer und doch zu nah noch an Schul­bank,
Ru­der­club und abend­li­chen Es­ka­pa­den – dem Frie­den noch zu nah, um ir­gend­ein
ech­tes Ver­ständ­nis da­für zu ha­ben, was das al­les be­deu­te­te und wo­hin sie
gin­gen.
    Ger­hard
Jä­ger ge­hör­te zu den ers­ten Frei­wil­li­gen. Der ru­hi­ge, zö­gern­de, nach­denk­li­che
Jun­ge war wie ver­wan­delt. Er schi­en von ei­nem in­ne­ren Feu­er zu glü­hen, das noch
weit ent­fernt war von der Maß­lo­sig­keit der kriegs­be­rausch­ten Pro­fes­so­ren. Er
und sei­ne Ka­me­ra­den sa­hen im Krieg mehr als bloß Kampf und Ver­tei­di­gung; für
sie war er der große An­griff, der die ver­al­te­ten Idea­le ei­nes selbst­ge­fäl­lig
ge­re­gel­ten Da­seins aus­räu­men und das ge­al­ter­te Le­ben ver­jün­gen soll­te.
    Sie
bra­chen al­le zu­sam­men an ei­nem Sonn­tag auf. Am Bahn­hof gab es vie­le wei­nen­de,
auf­ge­reg­te und be­geis­ter­te Freun­de und Ver­wand­te. Fast die gan­ze Stadt war
er­schie­nen. Über­all wa­ren Blu­men, Zwei­ge von fri­schem Grün wur­den in die Ge­wehr­mün­dun­gen
ge­steckt, und das Mu­sik­korps spiel­te, und Schreie und Ru­fe flo­gen hin und her.
Als der Zug ge­ra­de ab­fuhr, sah Ger­hard Jä­ger An­net­te plötz­lich vor dem Fens­ter
sei­nes Ab­teils. Sie wink­te je­man­dem in ei­nem an­de­ren Wag­gon zu. Er er­griff ih­re
Hand. »An­net­te ...«
    Sie
lach­te
und warf ihm den Rest ih­rer Blu­men zu. »Bring mir et­was Hüb­sches aus Pa­ris
mit!«
    Er
nick­te, konn­te aber nichts mehr sa­gen, denn der Zug fuhr schon schnel­ler, und
auf dem Bahn­hof war ein Tu­mult von Ge­sang und schmet­tern­den Blas­ka­pel­len. Das
flat­tern­de wei­ße Som­mer­kleid des Mäd­chens war die letz­te Er­in­ne­rung, die er
mit­nahm …
    Wäh­rend
der ers­ten Mo­na­te hör­te An­net­te we­nig von Ger­hard. Dann ka­men all­mäh­lich im­mer
häu­fi­ger Brie­fe und Feld­post­kar­ten. Sie wun­der­te sich ei­gent­lich dar­über; sie
konn­te nicht ver­ste­hen, warum es so plötz­lich pas­siert sein soll­te. Aber noch
we­ni­ger ver­stand sie, warum sich all die­se Brie­fe – im Lau­fe der Mo­na­te im­mer
aus­schließ­li­cher – mit Er­in­ne­run­gen an ih­re ge­mein­sa­me Kind­heit be­schäf­tig­ten.
Sie er­war­te­te ein­dring­li­che Be­schrei­bun­gen küh­ner An­grif­fe und war je­des­mal
er­neut ent­täuscht, nur Din­ge zu hö­ren, die sie schon kann­te und die sie
lang­weil­ten.
    Ger­hards
Bri­ga­de er­litt in der

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