E.M. Remarque
Leben davon abhängen, diese Benachrichtigung wiederzufinden.
»Ja,
ja, laß doch« – Bartok ging mit abwesendem Blick durch die Küche. »Ist das dein
Kind?« fragte er. Die Frau nickte. »Hast du noch mehr?«
»Zwei ...«
»So,
zwei ...«, wiederholte er mechanisch. Dann setzte er sich auf das Sofa und
starrte vor sich hin. »Was wird jetzt geschehen, Johann?« fragte die Frau unter
Tränen.
Bartok
schaute auf.
Vor
ihm stand auf einer niedrigen Kommode ein kleines Foto in einem vergoldeten
Rahmen. Es war das Foto, das sie hatten machen lassen, ehe er Soldat wurde. Er
nahm es herunter und betrachtete es lange Zeit. Dann sah er wieder zu seiner
Frau. Er strich sich mit der Hand über die Stirn.
»Fünf
Monate, nicht wahr?«
»Ja,
Johann ...«
»Und
jetzt?«
»Sieben
Jahre«, antwortete sie sanft. Er nickte und stand auf. Die Frau umarmte ihn.
»Du gehst doch nicht wieder?«
»Doch
...«, sagte er und nahm seine Mütze.
»Bleib
doch wenigstens bis zum Abendbrot«, bat sie. »Bis Alfred kommt ...«
Er
schüttelte den Kopf. »Nein, nein – es ist besser so. Dann mußt du die
Angelegenheit in Ordnung bringen. Es wird schon recht sein so.«
Draußen
vor dem Haus blieb er eine Weile stehen. Dann ging er wieder zum Bahnhof und
fuhr in seine Heimatstadt zurück. Dort wollte er Arbeit suchen und wieder von
vorne anfangen.
Nachweise
Der
Feind: »The Enemy«, Collier’s (Springfield, Ohio), 29.
3. 1930, S. 7-9. Schweigen um Verdun: »Silence«, Collier’s (Springfield, Ohio),
28. 6.
1930, S. 16-17.
Karl Broeger in Fleury: »Where Karl had Fought«, Collier’s (Springfield, Ohio), 23. 8. 1930, S. 14-16.
Josefs Frau: »Josefs Wife«, Collier’s (Springfield,
Ohio), 21. 11. 1931, S. 14-16.
Die
Geschichte von Annettes Liebe: »Annette’s Love Story«, Collier’s (Springfield,
Ohio), 28. 11. 1931, S. 10-12.
Das
seltsame Schicksal des Johann Bartok: »The Strange Fate of Johann Bartok«, Collier’s (Springfield, Ohio), 5. 12. 1931, S. 18-19.
Ein
Übersetzer aus dem Deutschen wird für keinen der Texte genannt; sämtliche
Erzählungen wurden für Collier’s von Herbert Morton Stoops illustriert.
Nachwort
Versteckt und vergessen
Erich
Maria Remarques Nachkriegserzählungen über den Ersten Weltkrieg
I.
In
Modris
Eksteins' umfangreicher Studie über»Die Geburt der Moderne und der Erste
Weltkrieg«, Tanz über Gräben 1 , in der auch ein Kapitel Remarques Im Westen
nichts Neues gewidmet ist, findet sich im Abbildungsteil ein Photodokument aus
dem Ersten Weltkrieg, das deutsche und englische Soldaten, Offiziere und
Gemeine, friedlich vereint und in Gespräche vertieft auf einer kahlen Ebene an
der Westfront zeigt. Daß es sich hierbei nicht um eine Aufnahme aus der Zeit
nach dem Waffenstillstand handelt, erläutert die Bildlegende:
Friede auf Erden. Am
Weihnachtstag 1914 treffen sich britische und deutsche Soldaten im
Niemandsland. Kameras sind an der Front verboten.Dennoch werden heimlich
Aufnahmen gemacht. 2
Das
Photo
aus den Beständen des Imperial War Museum London dokumentiert eindrucksvoll den
historischen Hintergrund der ersten der im vorliegenden Band abgedruckten
Erzählungen Remarques: Der Feind.
Die
dort geschilderte Verbrüderung mit den als Feinden dargestellten Menschen von
gegenüber entgegen allen Vorschriften und »Spielregeln« des Krieges mit dem
»fast jungenhaften Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, dem Gefühl, jemandem ein
Schnippchen zu schlagen« (S. 13), die schließlich ein als übereifrig
charakterisierter deutscher Major brutal beendet, wird von Remarque jedoch
nicht aus der Perspektive unmittelbaren Erlebens geschildert. Vielmehr fragt
der Ich-Erzähler seinen »Schulkameraden« Ludwig Breyer, der auch in Der Weg
zurück eine wichtige Rolle spielen
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