E.M. Remarque
hatte. Er machte sich nichts vor; er wußte, daß
Dreyer immer noch darüber nachdachte, wie er ihn erledigen konnte. Es war
einstweilen abgebogen worden durch die Drohung mit der Untergrundbewegung und
das Versprechen der zweiten fünf Mark. Dreyer würde darauf warten. Man konnte
sich bei Kriminellen darauf verlassen, daß sie ihren Vorteil wahrnahmen; das
war eine Lehre, die die Veteranen bei Handke gelernt hatten. Das Geld war von
Lewinsky und seiner Gruppe gekommen.
Sie würden weiterhelfen. Berger fühlte nach der Jacke, die er umgebunden hatte.
Sie saß fest. Man konnte nichts sehen. Er war dünn, und seine eigene Jacke hing
auch jetzt noch lose um ihn herum. Sein Mund war trocken. Die Leiche mit der
falschen Nummer lag vor ihm. Er zerrte von dem Haufen eine andere und schob sie
neben den falschen Toten. Im gleichen Augenblick kam ein Neuer durch die
Öffnung gesaust. Die Ablader hatten wieder angefangen.
Dreyer erschien mit den drei Häftlingen. Er warf einen Blick auf Berger. »Was
machst du hier? Weshalb bist du nicht draußen?« schnauzte er.
Es war für das Alibi. Die drei anderen sollten sich einprägen, daß Berger
allein unten gewesen war.
»Ich hatte noch einen Zahn zu ziehen«, sagte Berger.
»Quatsch! Du hast zu tun, was befohlen wird. Da kann ja alles mögliche
passieren.«
Dreyer setzte sich umständlich an den Tisch mit den Listen.
»Weitermachen!« kommandierte er.
Schulte kam kurz darauf. Er hatte eine Ausgabe von Knigges »Umgang mit
Menschen« in der Tasche, holte sie hervor und begann zu lesen.
Die Toten wurden weiter entkleidet. Der dritte in der Reihe war der Mann mit
der falschen Jacke. Berger hatte es so arrangiert, daß zwei der Helfer ihn auszogen.
Er hörte sie die Nummer 509 melden. Schulte blickte nicht auf. Er las in dem
klassischen Buch über Etikette die Regeln über das Essen von Fisch und Krebsen
nach. Er erwartete im Mai eine Einladung der Eltern seiner Verlobten und wollte
gerüstet sein. Dreyer schrieb gleichgültig die Personalien auf und verglich sie
mit den Meldungen der Blocks. Der vierte Tote war wieder ein Politischer.
Berger meldete ihn selbst. Er sagte die Nummer etwas lauter und merkte, daß
Dreyer aufblickte.
Er brachte die Sachen des Toten zum Tisch. Dreyer sah ihn an. Berger machte ein
Zeichen mit den Augen. Dann nahm er die Zange und die Taschenlampe und beugte
sich über den Toten. Er hatte erreicht, was er wollte. Dreyer glaubte, der Name
des vierten sei der des noch Lebenden, der umgetauscht worden war – nicht der
des dritten. Er war so von der Spur geworfen und konnte in keinem Falle etwas
verraten.
Die Tür öffnete sich. Steinbrenner trat ein. Ihm folgten Breuer, der
Bunkeraufseher, und der Scharführer Niemann.
Steinbrenner lächelte Schulte zu. »Wir sollen dich ablösen, wenn die Toten hier
verbucht sind. Befehl von Weber.«
Schulte klappte sein Buch zu. »Sind wir soweit?« fragte er Dreyer.
»Da sind noch vier Leichen.«
»Gut, macht fertig.«
Steinbrenner lehnte sich gegen die Wand, an der die Kratzer der Gehängten
sichtbar waren. »Macht nur fertig. Wir haben Zeit. Und schickt dann die fünf
Leute, die oben eingeworfen haben, herunter. Wir haben eine Überraschung für
sie.«
»Ja«, sagte Breuer. »Heute ist mein Geburtstag.«
»Wer von euch ist 509?« fragte Goldstein.
»Warum?«
»Ich bin hierher überwiesen worden.«
Es war Abend, und Goldstein war mit einem Transport von zwölf anderen zum
Kleinen Lager gekommen. »Lewinsky schickt mich«, sagte er zu Berger.
»Bist du in unserer Baracke?«
»Nein. In Baracke 21. Es war in der Eile nicht anders zu machen. Man kann das
später ändern. Es war höchste Zeit, daß ich wegkam. Wo ist 509?«
»509 existiert nicht mehr.«
Goldstein blickte auf. »Tot oder versteckt?«
Berger
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