E.M. Remarque
anzeige? Daß ihr existiert?«
»Was hat das mit Ringen und Goldbrillen zu tun?«
Dreyer hob den Kopf und lächelte schief. »Ihr habt wirklich alles gut überlegt,
was?«
Berger schwieg.
»Will der Mann ausreißen, den ihr vertauschen wollt?«
»Nein. Wir wollen ihn nur vor dem da schützen.« Berger zeigte auf die Haken in
der Wand.
»Ein Politischer?«
»Ja.«
Dreyer kniff die Augen zusammen. »Und wenn eine scharfe Kontrolle kommt und man
ihn findet? Was dann?«
»Die Baracken sind überfüllt. Man wird ihn nicht finden.«
»Man kann ihn erkennen. Wenn er ein bekannter Politischer ist.«
»Er ist nicht bekannt. Und bei uns, im Kleinen Lager, sehen wir alle ähnlich
aus. Da ist nicht viel zu erkennen.«
»Weiß euer Blockältester Bescheid?«
»Ja«, log Berger. »Sonst wäre es ja nicht möglich.«
»Habt ihr Verbindungen mit der Schreibstube?«
»Wir haben überall Verbindungen.«
»Hat euer Mann seine Nummer eintätowiert?«
»Nein.«
»Und die Sachen?«
»Ich weiß, welche ich umtauschen will. Ich habe sie schon beiseite gelegt.«
Dreyer sah auf die Tür. »Dann fang an! Los! Rasch, bevor einer kommt.«
Er öffnete die Tür um einen Spalt und horchte hinaus. Berger kroch zwischen den
Toten herum und durchsuchte sie. Ihm war im letzten Augenblick noch etwas
eingefallen.
Er wollte einen doppelten Tausch machen. Dreyer konnte auf diese Weise so
irregeführt werden, daß er den Namen von 509 nie feststellen konnte.
»Rasch! Verdammt!« fluchte Dreyer. »Wozu suchst du da noch lange?« Berger hatte
Glück mit dem dritten Toten; er war vom Kleinen Lager und hatte keine Zeichen
am Körper. Er streifte ihm die Jacke ab, holte unter seiner eigenen die
verborgene Jacke und Hose von 509 mit den Nummern hervor und zog sie der Leiche
an. Dann warf er die Sachen des Toten auf den Haufen Kleider und zog darunter
eine Jacke und Hose hervor, die er vorher beiseite gelegt hatte. Er wickelte
sie um seine Hüften, zerrte das Hosenband darüber zusammen und zog seine eigene
Jacke wieder an.
»Fertig.«
Berger keuchte. Schwarze Flecken glitten vor ihm über die Wände. Dreyer wandte
sich um. »Alles in Ordnung?«
»Ja.«
»Gut. Ich habe nichts gesehen. Ich weiß von nichts. Ich war auf der Latrine.
Was hier geschehen ist, hast du gemacht. Ich weiß von nichts, verstanden?«
»Ja.«
Der Aufzug, in dem die nackten Leichen lagen, fuhr hoch und kam nach kurzer
Zeit leer wieder zurück.
»Ich gehe jetzt, die drei von draußen zum Einladen holen«, sagte Dreyer. »Du
bist währenddessen allein hier. Verstanden?«
»Verstanden«, erwiderte Berger.
»Und die Liste ...«
»Ich bringe sie morgen. Oder ich kann sie vernichten.«
»Kann ich mich darauf verlassen?«
»Unbedingt.«
Dreyer überlegte einen Augenblick. »Du bist ja jetzt mit drin«, sagte er. »Mehr
als ich. Oder nicht?«
»Viel mehr.«
»Und wenn was 'rauskommt ...«
»Ich rede nicht. Ich habe Gift. Ich werde nicht reden.«
»Ihr habt scheinbar wirklich alles.« Dreyers Gesicht zeigte eine Art von
widerwilligem Respekt. »Ich wußte das nicht.«
Sonst hätte ich besser aufgepaßt, dachte er. Diese verfluchten
Dreivierteltoten!
Selbst denen konnte man nicht trauen. »Fang schon mit dem Aufzug an ...« Er
wollte gehen.
»Hier ist noch etwas«, sagte Berger.
»Was?«
Berger holte fünf Mark aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Dreyer
steckte sie ein. »Wenigstens etwas für das Risiko.«
»Nächste Woche kommen noch fünf Mark ...«
»Und – wofür?«
»Nichts. Einfach noch fünf Mark für dieses hier.«
»Gut.« Dreyer verzog die Lippen, hörte aber gleich auf damit; der Furunkel
schmerzte. »Man ist ja schließlich kein Unmensch«, sagte er. »Hilft immer gern
einem Kameraden.«
Er ging. Berger lehnte sich gegen die Wand. Ihm war schwindelig. Es war besser
gegangen, als er erwartet
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