E.M. Remarque
ist nicht hier.« Berger stellte sich in die Tür.
»Was? Gehaus dem Wege!«
»Er ist nicht hier«, sagte Berger, ohne aus dem Wege zu gehen. »Fertig.«
Der Blockälteste starrte ihn an. Bucher und Sulzbacher stellten sich neben
Berger.
»Was soll das heißen?« fragte der Blockälteste.
»Er ist nicht hier«, sagte Bucher. »Willst du wissen, wie Handke gestorben
ist?«
»Seid ihr verrückt?«
Rosen und Ahasver waren dazugekommen. »Wißt ihr, daß ich euch allen die Knochen
brechen kann?« fragte der Blockälteste.
»Horch!« sagte Ahasver und streckte seinen knochigen Zeigefinger in die
Richtung des Horizontes aus. »Schon wieder näher.«
»Er ist nicht durch das Bombardement umgekommen«, erklärte Bucher.
»Wir haben Handke nicht das Genick gebrochen. Nicht wir«, sagte Sulzbacher.
»Hast du nie von einer Lagerfeme gehört?«
Der Blockälteste trat einen Schritt zurück. Er wußte, was alles schon mit
Verrätern und Denunzianten geschehen war. »Ihr hier gehört dazu?« fragte er
ungläubig.
»Sei vernünftig«, sagte Berger ruhig. »Und mach dich und uns nicht verrückt.
Wer will jetzt noch auf die Liste derer kommen, mit denen abgerechnet wird?«
»Wer hat denn davon geredet?« Der Blockälteste begann zu gestikulieren. »Wenn
mir keiner was gesagt hat, kann ich doch nicht wissen, was gespielt wird. Was
ist denn los? Auf mich hat sich bis jetzt jeder verlassen können.«
»Dann ist es ja gut.«
»Bolte kommt«, sagte Bucher.
»Schön, schön.« Der Blockälteste zerrte seine Hosen hoch. »Ich passe schon auf.
Ihr könnt euch auf mich verlassen. Ich bin einer von euch.«
Verdammt, dachte Neubauer, warum sind die Bomben nicht hierher gefallen?
Dann wäre alles aufs beste erledigt. Immer passiert das Falsche!
»Das ist das Schonungslager?« sagte er.
»Das Schonungslager«, wiederholte Weber.
»Na ja.« Neubauer hob die Schultern. »Schließlich – wir lassen sie nicht
arbeiten.«
»Nein.« Weber war belustigt. Die Vorstellung, diese Gespenster arbeiten zu
lassen, war absurd.
»Die Blockade«, sagte Neubauer. »Nicht unsere Schuld – die Feinde ...« , er wandte
sich Weber zu. »Es stinkt hier wie in einem Affenkasten.«
»Dysenterie«, erwiderte Weber. »Es ist ja eigentlich ein Erholungsplatz für
Kranke ...«
»Kranke, richtig!« Neubauer nahm sofort den Faden auf. »Kranke, Dysenterie,
daher stinkt es natürlich. Würde ja im Hospital ebenso sein.« Er blickte sich
unentschlossen um. »Können die Leute nicht mal baden?«
»Die Ansteckungsgefahr ist zu groß. Wir haben diesen Teil des Lagers deshalb
ziemlich abgeschlossen gehalten. Die Badeeinrichtungen sind auf der anderen
Seite.« Neubauer war bei dem Wort Ansteckung unwillkürlich einen Schritt
zurückgetreten.
»Haben wir genug Wäsche, damit die Kerle frische kriegen können? Die alte muß
dann wohl verbrannt werden, wie?«
»Nicht unbedingt. Sie kann desinfiziert werden. Wäsche ist genug in der
Kleiderkammer. Wir haben reichliche Sendungen von Belsen bekommen.«
»Gut«, sagte Neubauer erleichtert. »Also frische Wäsche und eine Anzahl heile
Kittel und Hosen oder was wir sonst haben an Sachen. Chlorkalk und
Desinfektionsmittel verteilen. Das sieht dann gleich ganz anders aus. Schreiben
Sie das auf.«
Der erste Lagerälteste, ein dicker Sträfling, notierte dienstfertig. »Äußerste
Sauberkeit anstreben!« diktierte Neubauer.
»Äußerste Sauberkeit anstreben«, wiederholte der Lagerälteste.
Weber unterdrückte ein Grinsen. Neubauer wandte sich den Häftlingen zu. »Habt
ihr alles, was euch zusteht?«
Die Antwort war durch zwölf Jahre vorgeschrieben. »Jawohl, Herr
Obersturmbannführer.«
»Gut. Weitermachen.«
Neubauer blickte noch einmal umher.
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