E.M. Remarque
habe leider keine Zigaretten hier. Hatte
eine Schachtel, sind verschwunden. Weiß der Himmel, wohin ich sie verkramt
habe.«
Er blickte unzufrieden auf das mit Holz verschalte Fenster.
Das Glas war beim Bombardement zerbrochen, und neues war nicht zu bekommen. Er
wußte nicht, daß seine Zigaretten während des Durcheinanders gestohlen worden
waren und auf dem Umwege über den rothaarigen Schreiber und Lewinsky die
Veteranen der Baracke 22 für zwei Tage mit Brot versorgt hatten. Zum Glück
waren seine geheimen Aufzeichnungen nicht fortgekommen – alle seine
menschenfreundlichen Anweisungen, die dann von Weber und anderen falsch
aufgefaßt worden waren. Er beobachtete Weber von der Seite. Der Lagerführer
schien völlig ruhig zu sein, obschon er doch allerhand auf dem Kerbholz hatte.
Da waren diese letzten Erhängungen – es wurde Neubauer plötzlich wieder heiß.
Er war gedeckt, doppelt sogar. Trotzdem – »Was würden Sie machen, Weber?« sagte
er herzlich, »wenn für eine gewisse Zeit, aus militärischen Gründen, Sie
verstehen – nun also, wenn für eine kurze Periode von – von Abwarten, sagen
wir, der Feind das Land besetzen würde, was«, fügte er hastig hinzu, »wie die
Geschichte oft bewiesen hat, absolut keine Niederlage sein muß.«
Weber hatte ihm mit dem Schatten eines Lächelns zugehört.
»Für jemand wie mich gibt es immer etwas zu tun«, erwiderte er sachlich. »Wir
kommen schon wieder hoch – wenn auch unter anderem Namen. Meinetwegen als
Kommunisten. Für einige Jahre wird es keine Nationalsozialisten mehr geben.
Alle werden Demokraten sein. Das macht nichts. Ich werde wahrscheinlich
irgendwo und irgendwann bei einer Polizei sein. Vielleicht mit falschen
Papieren. Da geht die Arbeit dann weiter.«
Neubauer schmunzelte. Webers Sicherheit gab ihm seine eigene zurück. »Keine
schlechte Idee. Und ich? Was meinen Sie, was ich sein werde?«
»Das weiß ich nicht. Sie haben Familie, Obersturmbannführer. Da ist es nicht so
leicht, zu wechseln und unterzutauchen.«
»Natürlich nicht.« Neubauers gute Laune war wieder verschwunden. »Wissen Sie,
Weber, ich möchte mal einen Rundgang durchs Lager machen. Habe ich lange nicht
getan.«
Als er in die Desinfektionsabteilung kam, wußte das Kleine Lager bereits, was
bevorstand.
Die meisten Waffen waren von Werner und Lewinsky wieder ins Arbeitslager
geschafft worden; nur 509 hatte seinen Revolver behalten. Er hatte das
durchgesetzt und ihn unter seinem Bett versteckt.
Eine Viertelstunde später kam aus dem Hospital über die Latrine die
erstaunliche Nachricht, die Inspektion sei keine Strafangelegenheit; die
Baracken würden nicht genau inspiziert; Neubauer sei im Gegenteil geradezu
wohlwollend.
Der neue Blockälteste war nervös. Er schrie herum und kommandierte. »Schrei
nicht so«, sagte Berger. »Es wird dadurch nicht besser.«
»Was?«
»Genau das!«
»Ich schreie, wann ich will. Antreten! 'raustreten!« Der Blockälteste rannte
die Baracke entlang. Die Leute, die gehen konnten, sammelten sich. »Das sind
nicht alle! Da sind mehr!«
»Sollen die Toten auch antreten?«
»Halt die Schnauze, 'raus! Die Bettlägerigen 'raus!«
»Hör zu. Es ist nichts von einer Inspektion bekannt. Es ist keine befohlen
worden. Du brauchst die Baracke nicht im voraus antreten zu lassen.«
Der Blockälteste schwitzte. »Ich mache das, wie ich will. Ich bin
Blockältester. Wo ist der, der hier immer mit euch 'rumsitzt? Mit dir und dir.«
Er zeigte auf Berger und Bucher.
Der Blockälteste öffnete die Tür zur Baracke, um nachzusehen. Gerade das wollte
Berger verhindern. 509 war versteckt; er sollte Weber nicht noch einmal
begegnen.
»Er
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