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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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da, wie es sich ge­hör­te. Die Na­tur war ver­läß­lich – da gab es
kein Weg­lau­fen.
    Er ging in den Stall. Die Ka­nin­chen müm­mel­ten hin­ter den Draht­git­tern. In ih­ren
kla­ren, ro­ten Au­gen wa­ren kei­ne Ge­dan­ken über Bank­kon­ten. Neu­bau­er steck­te
einen Fin­ger durch den Draht und kraul­te die wei­chen Fel­le der wei­ßen An­go­ras.
Einen Schal hat­te er ma­chen las­sen wol­len aus dem Pelz, für Sel­ma. Er, der
gut­mü­ti­ge Narr, den al­le im­mer be­tro­gen.
    Er lehn­te sich ge­gen die Git­ter und starr­te durch die of­fe­ne Tür. Sei­ne
Ent­rüs­tung ver­wan­del­te sich im Frie­den des be­hag­lich war­men Stal­les in schwe­res
Mit­leid mit sich selbst.
    Der strah­len­de Him­mel, ein blü­hen­der Zweig, der vor dem Ein­gang auf und ab
schwank­te, die sanf­ten Tier­ge­sich­ter in der Däm­me­rung – al­les trug da­zu bei.
    Plötz­lich hör­te er wie­der das Rol­len. Es war un­re­gel­mä­ßi­ger, aber stär­ker als
vor­her.
    Un­wi­der­steh­lich brach es in sei­nen pri­va­ten Gram, ein dump­fes, un­ter­ir­di­sches
Po­chen. Es poch­te und poch­te, und mit ihm kam wie­der die Angst. Aber es war
ei­ne an­de­re Angst als frü­her. Sie war tiefer. Er war jetzt al­lein und konn­te
sich nicht mehr täu­schen, in­dem er an­de­re zu über­re­den ver­such­te und da­mit sich
selbst. Jetzt spür­te er sie oh­ne al­len Vor­be­halt, sie quoll ihm in die Keh­le,
aus dem Ma­gen, und aus der Keh­le wie­der in den Ma­gen und in die Ein­ge­wei­de. Ich
ha­be nichts Un­rech­tes ge­tan, dach­te er oh­ne Über­zeu­gung. Nur mei­ne Pflicht. Ich
ha­be Zeu­gen. Vie­le. Blank ist mein Zeu­ge; ich ha­be ihm noch kürz­lich ei­ne
Zi­gar­re ge­ge­ben, an­statt ihn ein­sper­ren zu las­sen. Ein an­de­rer hat­te ihm sein
Ge­schäft ge­nom­men oh­ne je­de Be­zah­lung. Blank hat das selbst zu­ge­ge­ben, er wird
es be­zeu­gen kön­nen; ich bin an­stän­dig ge­we­sen, er wird es be­schwö­ren.
    Er wird es nicht be­schwö­ren, dach­te ein kal­tes An­de­res in ihm, und er dreh­te
sich um, als ha­be je­mand hin­ter ihm es ge­sagt. Da stan­den die Re­chen, die
Schau­feln, die Har­ken, grün be­malt, ver­läß­li­che Holz­stie­le dar­an – wä­re man
doch jetzt ein Bau­er, ein Gar­ten­be­sit­zer, ein Gast­wirt, ein Nir­gend­wer! Die­ser
ver­damm­te Zweig, der da blüh­te, er hat­te es leicht, er blüh­te ein­fach und hat­te
kei­ne Ver­ant­wor­tung.
    Aber wo­hin soll­te ein Ober­sturm­bann­füh­rer? Von ei­ner Sei­te ka­men die Rus­sen,
von der an­de­ren die Eng­län­der und Ame­ri­ka­ner, wo­hin soll­te man da? Sel­ma hat­te
gut re­den.
    Weg­ren­nen vor den Ame­ri­ka­nern hieß nä­her zu den Rus­sen ren­nen, und was die
ma­chen wür­den, konn­te man sich ja den­ken. Die wa­ren nicht um­sonst von Mos­kau
und Sta­lin­grad her durch ihr ver­wüs­te­tes Land ge­zo­gen.
    Neu­bau­er wisch­te sich den Schweiß aus den Au­gen. Er mach­te ei­ni­ge Schrit­te. Die
Knie wa­ren wack­lig. Man muß­te ge­nau­er nach­den­ken. Er tas­te­te sich aus dem Stall
her­aus. Die Luft drau­ßen war frisch. Er at­me­te tief; aber mit der Luft schi­en
er auch das un­re­gel­mä­ßi­ge Rol­len vom Ho­ri­zont ein­zuat­men. Es vi­brier­te in
sei­nen Lun­gen und mach­te ihn wie­der schwach. Sehr leicht, oh­ne Rülp­sen, kotz­te
er ge­gen einen Baum in den Nar­zis­sen. »Das Bier«, sag­te er. »Das Bier und der
Stein­hä­ger. Be­kom­men mir nicht.« Er sah nach dem Ein­gang des Gar­tens.
    Al­fred konn­te ihn nicht se­hen.
    Er stand noch ei­ne Wei­le. Dann fühl­te er, wie der Schweiß im Win­de trock­ne­te.
Lang­sam ging er zum Wa­gen zu­rück.
    »Zum Puff, Al­fred.«
    »Wo­hin, Herr Ober­sturm­bann­füh­rer?«
    »Zum Puff!« schrie Neu­bau­er plötz­lich wü­tend. »Ver­stehst du kein Deutsch mehr?«
    »Das Bor­dell ist ge­schlos­sen wor­den. Es ist jetzt ein Not­la­za­rett.«
    »Dann fahr zum La­ger.«
    Er stieg ein. Ins La­ger – wo­hin sonst soll­te er noch?
    »Was hal­ten Sie von der La­ge, We­ber?«
    We­ber blick­te ihn gleich­mü­tig an. »Aus­ge­zeich­net.«
    »Aus­ge­zeich­net? Wirk­lich?« Neu­bau­er kram­te nach Zi­gar­ren; dann er­in­ner­te er
sich, daß We­ber kei­ne rauch­te. »Ich

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