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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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zu trop­fen und zu stin­ken.
    Das ent­setz­li­che Schrei­en war ver­stummt. Ei­ne end­lo­se Pro­zes­si­on von Leu­ten
trug ver­seng­te und ver­brann­te Ge­ret­te­te fort. 509 hör­te ir­gend­wo Bu­chers
Stim­me. Er war al­so nicht tot.
    Es war dann doch nicht al­les ver­ge­bens ge­we­sen. Er blick­te sich um. Nach
ei­ni­ger Zeit be­merk­te er, wie ne­ben ihm sich et­was reg­te. Es dau­er­te noch ei­ne
Wei­le, bis er es er­kann­te. Es war We­ber.
    Er lag auf dem Bauch. Es war ihm ge­lun­gen, hin­ter den To­ten­hau­fen zu krie­chen,
ehe Wer­ner und sei­ne Leu­te ka­men.
    Sie hat­ten ihn nicht be­merkt. Er hat­te ein Bein an­ge­zo­gen und die Ar­me
aus­ge­streckt. Blut lief aus sei­nem Mun­de. Er leb­te noch.
    509 ver­such­te ei­ne Hand zu he­ben. Er woll­te je­mand ru­fen; aber er war zu
schwach da­zu. Sei­ne Keh­le war aus­ge­trock­net.
    Nur ein Ras­peln kam her­aus. Das Knis­tern der bren­nen­den Ba­ra­cke war viel zu
laut da­ge­gen.
    We­ber hat­te die Be­we­gung der Hand ge­se­hen. Sei­ne Au­gen folg­ten ihr. Dann
be­geg­ne­ten sie de­nen von 509. Bei­de blick­ten sich an.
    509 wuß­te nicht, ob We­ber ihn er­kann­te. Er wuß­te auch nicht, was die Au­gen ihm
ge­gen­über sag­ten. Er spür­te plötz­lich nur, daß sei­ne Au­gen län­ger aus­hal­ten
muß­ten als die vor ihm. Er muß­te län­ger le­ben als We­ber. Es war auf ei­ne
son­der­ba­re Wei­se auf ein­mal un­end­lich wich­tig – als hin­ge die Gül­tig­keit von
al­lem, wor­an er in sei­nem Le­ben ge­glaubt, wo­für er ge­kämpft und ge­lit­ten hat­te,
da­von ab, daß das Le­ben hin­ter sei­ner Stirn län­ger glim­me als hin­ter der Stirn
vor ihm. Es war wie ein Du­ell und ein Got­tes­ur­teil. Wenn er jetzt durch­hielt,
wür­de auch durch­hal­ten, was so wich­tig für ihn ge­we­sen war, daß er sein Le­ben
des­we­gen ris­kiert hat­te. Es war wie ei­ne letz­te An­stren­gung. Noch ein­mal war es
in sei­ne Hän­de ge­ge­ben – und er muß­te es ge­win­nen.
    Er at­me­te weich und vor­sich­tig, im­mer nur bis ge­gen die Gren­ze des Schmer­zes.
Er sah das Blut aus We­bers Mund rie­seln, und er fühl­te nach, ob auch er aus dem
Mun­de blu­te­te.
    Er spür­te et­was, aber als er sei­ne Hand be­trach­te­te, war es we­nig, und ihm fiel
ein, daß es von sei­nen zer­bis­se­nen Lip­pen kam.
    We­bers Au­gen folg­ten sei­ner Hand. Dann sa­hen sich bei­de wie­der an.
    509 ver­such­te zu den­ken; er woll­te noch ein­mal fin­den, wor­auf es an­kam und was
es war. Es soll­te ihm mehr Kraft ge­ben. Es hat­te mit dem Ein­fachs­ten im
Men­schen zu tun, und oh­ne es wür­de die Welt zer­stört wer­den, das wuß­te sein
mü­des Ge­hirn noch.
    Durch es wür­de auch das an­de­re ver­nich­tet wer­den, das ab­so­lut Bö­se; der
An­ti­christ; die Tod­sün­de ge­gen den Geist.
    Wor­te, dach­te er. Sie sag­ten nur we­nig. Aber wo­zu noch Wor­te?
    Er muß­te aus­har­ren. Es muß­te ster­ben vor ihm. Das war al­les.
    Son­der­bar, daß kei­ner sie sah. Daß man ihn nicht sah, be­griff er. Es la­gen so
vie­le To­te da. Aber der an­de­re! Er lag ganz im Schat­ten des To­ten­hau­fens, das
muß­te es sein. Die Uni­form war schwarz, und das Licht spie­gel­te nicht auf den
Stie­feln. Es wa­ren auch nicht mehr so vie­le Leu­te in der Nä­he. Sie stan­den
wei­ter ent­fernt und starr­ten auf die Ba­ra­cken. Die Wän­de wa­ren an ei­ni­gen
Stel­len ein­ge­schla­gen. Da ver­brann­ten vie­le Jah­re Elend und Tod. Die vie­len
Na­men und In­schrif­ten.
    Es krach­te. Die Flam­men schos­sen hoch. Das Dach der Ba­ra­cke stürz­te in ei­nem
Fun­ken­re­gen zu­sam­men. 509 sah die bren­nen­den Stücke durch die Luft flie­gen. Sie
schie­nen sehr lang­sam zu flie­gen. Ei­nes se­gel­te nied­rig über den To­ten­hau­fen,
stieß ge­gen einen Fuß, dreh­te sich und fiel auf We­ber. Es fiel ihm in den
Nacken.
    We­bers Au­gen be­gan­nen zu zit­tern. Rauch stieg von sei­nem Uni­form­kra­gen auf.
    509 hät­te sich vor­leh­nen und das Scheit bei­sei­te schie­ben kön­nen. Er glaub­te
we­nigs­tens, daß er es hät­te tun kön­nen; er wuß­te nur nicht ge­nau, ob sei­ne
Lun­ge nicht ver­letzt war und ob ihm dann das Blut nicht aus dem Mun­de sprin­gen
wür­de. Doch

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