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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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das war nicht der Grund, daß er es nicht tat. Er un­ter­ließ es auch
nicht aus Ra­che; es ging jetzt um mehr als Ra­che. Und das wä­re ei­ne viel zu
ge­rin­ge ge­we­sen.
    We­bers Hän­de be­weg­ten sich. Der Kopf zuck­te. Das Holz brann­te wei­ter im Nacken.
    Die Uni­form war durch­sengt. Sie fla­cker­te in klei­nen Flam­men. We­bers Kopf
be­weg­te sich wie­der. Das bren­nen­de Scheit rutsch­te vor­wärts. Gleich dar­auf
be­gann das Haar zu koh­len. Das Scheit fing an zu zi­schen, das Feu­er leck­te um
die Oh­ren und über den Kopf. 509 sah nun die Au­gen ge­nau­er. Sie tra­ten stär­ker
aus ih­ren Höh­len her­vor. Das Blut quoll stoß­wei­se aus dem Mun­de, der sich oh­ne
Laut be­weg­te. Nichts war zu hö­ren in dem Lärm der wei­ter nie­der­bren­nen­den
Ba­ra­cke.
    Der Kopf war jetzt nackt und schwarz. 509 starr­te ihn an. Das Holz­stück brann­te
lang­sam aus. Das Blut ver­sieg­te. Al­les ver­sank. Nichts war mehr da als die
Au­gen.
    Die Welt war zu­sam­men­ge­schrumpft auf sie. Sie muß­ten er­blin­den.
    509 wuß­te nicht, ob es Stun­den oder Mi­nu­ten ge­dau­ert hat­te – aber die Ar­me
We­bers schie­nen sich, oh­ne Be­we­gung, plötz­lich zu stre­cken. Dann ver­än­der­ten
sich die Au­gen und wa­ren kei­ne Au­gen mehr. Sie wa­ren nur noch qual­li­ge Din­ge.
509 saß noch ei­ne Zeit­lang still. Dann stütz­te er vor­sich­tig einen Arm auf,
vor­wärts – um sich nä­her zu schie­ben. Er muß­te ganz si­cher sein, ehe er
nach­gab. Nur im Kopf fühl­te er noch Fes­tig­keit; sein Kör­per war be­reits oh­ne
Ge­wicht und hat­te zur sel­ben Zeit das gan­ze Ge­wicht der Er­de und war schon fast
oh­ne Kon­trol­le. Er konn­te ihn nicht vor­wärts­schie­ben.
    Lang­sam beug­te er sich vor, hob einen Fin­ger und stieß ihn ge­gen die Au­gen
We­bers.
    Sie rea­gier­ten nicht. We­ber war tot. 509 woll­te sich auf­recht set­zen, aber er
konn­te jetzt auch das nicht mehr. Das Vor­beu­gen hat­te be­wirkt, was er vor­her
er­war­tet hat­te. Et­was so tief von in­nen, als käme es aus der Er­de, quoll hoch
und floß über. Das Blut lief leicht und oh­ne Schmer­zen. Es lief über We­bers
Kopf.
    Es schi­en, als lie­fe es nicht nur aus dem Mun­de, son­dern aus dem gan­zen Kör­per,
zu­rück in die Er­de, aus der es wie ei­ne sanf­te Fon­tä­ne auf­ge­stie­gen war. 509
ver­such­te nicht, es zu hal­ten. Die Ar­me wur­den weich. Im Ne­bel sah er Ahas­ver
rie­sen­groß vor der Ba­ra­cke. Er ist al­so doch nicht tot, dach­te er noch, dann
wur­de die Er­de, auf die er sich stütz­te, zu Moor, und er sank ein.
    Sie fan­den ihn erst ei­ne Stun­de spä­ter. Sie hat­ten, nach­dem die größ­te Er­re­gung
vor­über war, an­ge­fan­gen, nach ihm zu su­chen. Bu­cher war schließ­lich auf den
Ge­dan­ken ge­kom­men, noch ein­mal na­he zur Ba­ra­cke zu ge­hen und dort zu for­schen,
und hat­te ihn dann hin­ter dem Hau­fen mit Lei­chen ge­fun­den.
    Er sah Le­wins­ky und Wer­ner her­an­kom­men. »509 ist tot«, sag­te er. »Er­schos­sen.
We­ber auch. Sie lie­gen bei­de zu­sam­men drü­ben.«
    »Er­schos­sen? War er denn drau­ßen?«
    »Ja. Er war um die Zeit drau­ßen.«
    »Hat­te er den Re­vol­ver bei sich?«
    »Ja.«
    »Und We­ber ist auch tot? Dann hat er We­ber er­schos­sen«, sag­te Le­wins­ky.
    Sie ho­ben ihn an und leg­ten ihn ge­ra­de hin. Dann dreh­ten sie We­ber um.
    »Ja«, er­klär­te Wer­ner. »Es sieht so aus. Er hat zwei Schüs­se im Rücken.«
    Er blick­te um­her und sah den Re­vol­ver. »Da ist er.« Er hob ihn auf. »Leer. Er
hat ihn ge­braucht.«
    »Wir müs­sen ihn weg­brin­gen«, sag­te Bu­cher.
    »Wo­hin? Es ist al­les voll von To­ten. Über sieb­zig sind ver­brannt. Mehr als
hun­dert ver­letzt. Laßt ihn einst­wei­len hier, bis Platz wird.« Wer­ner sah Bu­cher
ab­we­send an.
    »Ver­stehst du et­was von Au­to­mo­bi­len?«
    »Nein.«
    »Wir brau­chen ...« , Wer­ner un­ter­brach sich. »Was re­de ich da? Ihr seid ja vom
Klei­nen La­ger. Wir brau­chen noch Leu­te für die Last­wa­gen. Komm, Le­wins­ky!«
    »Ja. Ver­dammt scha­de um den da.«
    »Ja ...«
    Sie gin­gen zu­rück. Le­wins­ky sah sich noch ein­mal um. Dann folg­te er Wer­ner.
Bu­cher blieb ste­hen. Der Mor­gen war grau.
    Die Res­te der Ba­ra­cke brann­ten

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