E.M. Remarque
organisierte Hitlerjugend. Die im Depot
gefundenen Waffen waren zwar verteilt – aber ein paar ausgerüstete Kompanien
hätten dem Lager einen schweren Kampf bereiten können; und mit einiger
Artillerie hätte man es beliebig zusammenschießen können.
Die Toten waren zum Krematorium hinübergebracht worden.
Es gab keine andere Möglichkeit: Man mußte sie dort aufeinander häufen wie
Feuerholz. Das Hospital war überfüllt.
Am frühen Nachmittag wurde plötzlich ein Flugzeug gesichtet. Es kroch aus den
niedrigen Wolken hinter der Stadt.
Die Gefangenen gerieten in Aufruhr.
»Zum Appellplatz! Jeder zum Appellplatz, der laufen kann!«
Zwei andere Flugzeuge tauchten durch die Wolken. Sie zirkelten und folgten dem
ersten.
Die Motoren dröhnten. Tausende von Gesichtern starrten in den Himmel.
Die Flugzeuge kamen rasch heran. Die Obmänner hatten einen Teil der Leute aus
dem Arbeitslager zum Appellplatz gebracht. Sie formierten sie dort in zwei
langen Reihen, die ein riesiges Kreuz bildeten. Lewinsky hatte Bettücher aus
der Kaserne besorgt, und an den Enden der Kreuzbalken hielten je vier Gefangene
ein Tuch und schwenkten es.
Die Flugzeuge waren jetzt über dem Lager und umkreisten es.
Sie kamen tiefer und tiefer.
»Da!« schrie jemand. »Die Flügel! Wieder!«
Die Gefangenen schwenkten die Tücher. Sie schwenkten die Arme. Sie schrieen in
das Röhren der Motoren. Viele rissen ihre Jacken ab und schwenkten sie. Die
Flieger kamen noch einmal sehr tief herunter. Die Flügel grüßten wieder. Dann
verschwanden sie.
Die Menge drängte zurück. Sie blickte immer wieder zum Himmel auf. »Speck«,
sagte jemand. »Nach dem Krieg 1914 gab es Speckpakete von Übersee ...«
Dann sahen sie plötzlich, unten auf der Straße, niedrig und gefährlich, den
ersten amerikanischen Panzer.
XXV
D er Garten lag in
silbrigem Licht. Veilchen dufteten. Die Obstbäume an der Südwand standen, als
seien sie überflogen von rosa und weißen Schmetterlingen.
Alfred ging voran. Drei Mann folgten. Sie gingen leise.
Alfred deutete auf den Stall. Die drei Amerikaner verteilten sich lautlos.
Alfred stieß die Tür auf. »Neubauer«, sagte er. »Kommen Sie 'raus!«
Ein Grunzen antwortete aus der warmen Dunkelheit. »Was? Wer ist da?«
»Kommen Sie 'raus.«
»Was? Alfred – ist das Alfred?«
»Ja.«
Neubauer grunzte wieder. »Verdammt! Schwer gepennt! Geträumt.« Er räusperte
sich. »Blödsinn geträumt. Sagtest du 'raus zu mir?«
Einer der Soldaten war geräuschlos neben Alfred getreten.
Eine Taschenlampe blitzte auf. »Hände hoch! Kommen Sie heraus!«
Im fahlen Kreis des Lichtes sah man ein Feldbett, auf dem Neubauer halb
ausgezogen saß. Er glotzte, aus puffigen Augen zwinkernd, in den scharfen
Kreis. »Was?« sagte er verquollen. »Was ist das? Wer sind Sie?«
»Hände hoch!« sagte der Amerikaner. »Sie heißen Neubauer?«
Neubauer hob halb die Hände und nickte.
»Kommandant des Konzentrationslagers Mellern?«
Neubauer nickte wieder.
»Kommen Sie 'raus!«
Neubauer sah die dunkle Mündung der automatischen Pistole auf sich gerichtet.
Er stand auf und hob die Hände so rasch hoch, daß die Finger gegen die niedrige
Decke des Schuppens stießen. »Ich bin nicht angezogen.«
»'raus!« Neubauer kam zögernd heran. Er war in Hemd; Hose und Stiefeln. Grau
und verschlafen stand er da. Einer der Soldaten tastete ihn rasch ab.
Neubauer sah Alfred an. »Du hast sie hierher geführt?«
»Ja.«
»Judas!«
»Sie sind kein Christus, Neubauer«, erwiderte Alfred langsam. »Und ich bin kein
Nazi.«
Der Amerikaner, der im Schuppen gewesen war, kam zurück.
Er schüttelte den Kopf. »Vorwärts«, sagte der, der deutsch sprach. Er war ein
Korporal.
»Kann ich
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