E.M. Remarque
war.
Nirgendwo brannte Licht. Nur Weber und der SS-Scharführer Schulte hatten
Taschenlampen, die sie ab und zu aufblitzen ließen. Die Blockältesten meldeten.
»Steckt den Rest hier hinein«, sagte Weber zu dem zweiten Lagerältesten.
Der Lagerälteste teilte die Leute ein; Schulte kontrollierte.
Weber schlenderte weiter.
»Weshalb sind das hier so viel weniger als drüben?« fragte er, als er zur
Sektion D von Baracke 22 kam.
Der Blockälteste Handke stand stramm. »Der Raum ist kleiner als die anderen
Sektionen, Herr Sturmführer.«
Weber ließ seine Taschenlampe aufleuchten. Das Licht wanderte über die starren
Gesichter. 509 und Bucher standen im hinteren Glied. Der Lichtkreis glitt über
509 hinweg, blendete ihn, glitt weiter und kam zurück. »Dich kenne ich doch!
Woher?«
»Ich bin schon lange im Lager, Herr Sturmführer.«
Der Lichtkreis glitt auf die Nummer herunter. »Zeit, daß du krepierst!«
»Es ist einer von denen, die kürzlich zur Schreibstube mußten, Herr Sturmführer«,
meldete Handke.
»Ach so, richtig.« Der Lichtkreis wanderte wieder zur Nummer herunter und dann
weiter. »Merken Sie sich doch mal die Nummer, Schulte.«
»Jawohl«, erklärte der Scharführer Schulte mit frischer, jugendlicher Stimme.
»Wie viele sollen hier hinein?«
»Zwanzig. Nein, dreißig; sollen zusammenrücken.«
Schulte und der Lagerälteste zählten ab und notierten. Aus dem Dunkel
beobachteten die Augen der Veteranen Schuhes Bleistift. Sie sahen nicht, daß er
die Nummer von 509 aufschrieb. Weber hatte sie ihm nicht gesagt, und die
Taschenlampe war wieder ausgeknipst worden. »Fertig?« fragte Weber.
»Jawohl.«
»Den Rest der Schreiberei kann die Schreibstube morgen erledigen. Marsch, da
'rüber! Und krepiert! Sonst helfen wir nach.«
Weber ging breit und zuversichtlich die Lagerstraße zurück.
Die Scharführer folgten ihm. Handke lungerte noch eine Weile umher.
»Essenhohler 'raus!« knurrte er dann. »Bleibt hier«, flüsterte Berger 509 und
Bucher zu. »Ein paar andere können gehen. Es ist besser, daß ihr Weber nicht
noch einmal vor die Füße rennt.«
»Hat Schulte meine Nummer aufgeschrieben?«
»Ich habe es nicht gesehen.«
»Nein«, sagte Lebenthal. »Ich habe vorne gestanden und aufgepaßt. Er hat es in
der Eile vergessen.«
Die dreißig Neuen standen eine Weile fast bewegungslos im wehenden Dunkel.
»Ist Platz in den Baracken?« fragte Sulzbacher schließlich.
»Wasser«, sagte ein Mann heiser neben ihm. »Wasser! Gebt uns um Christi willen
Wasser!«
Jemand brachte einen Blecheimer heran, der halb voll Wasser war. Die Neuen
stürzten sich darüber und warfen ihn um; sie hatten nichts, womit sie trinken
konnten, als ihre hohlen Hände.
Sie warfen sich auf den Boden und versuchten, das Wasser damit aufzuschöpfen.
Sie stöhnten. Ihre Lippen waren schwarz und schmutzig. Sie leckten den Boden
ab. Berger hatte gesehen, daß Sulzbacher und Rosen nicht bei der Attacke
mitgemacht hatten. »Wir haben eine Wasserleitung neben der Latrine«, sagte er.
»Sie rinnt nur; aber es wird mit der Zeit genug sein zum Trinken. Nehmt Eimer
und holt es.«
Einer der Neuen fletschte die Zähne. »Damit ihr uns inzwischen das Essen
wegfreßt, was?«
»Ich werde gehen«, sagte Rosen und nahm den Eimer.
»Ich auch.« Sulzbacher faßte die andere Seite des Henkels.
»Bleib du hier«, sagte Berger »Bucher kann mitgehen und es ihm zeigen.«
Die beiden gingen. »Ich bin hier Stubenältester«, sagte Berger zu den Neuen.
»Wir haben Ordnung hier. Ich rate euch, mitzumachen. Ihr habt sonst ein kurzes
Leben.«
Niemand antwortete. Berger wußte nicht, ob ihm überhaupt jemand zugehört hatte.
»Ist Platz in den Baracken?« fragte Sulzbacher nach einer Weile noch
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