E.M. Remarque
Unterzeug eine wollene Frauenhose mit roten Litzen
zugeworfen bekommen; Rosen das Chorhemd eines Priesters. Es waren alles Sachen
von Toten. Das Chorhemd hatte ein Einschußloch, um das sich ein gelblich
zerfaserter Blutfleck zog. Es war nur oberflächlich gewaschen worden. Ein Teil
der Leute hatte scharfkantige Holzschuhe erhalten, die aus einem aufgelösten
holländischen Konzentrationslager stammten. Es waren Marterwerkzeuge für
ungewohnte, blutig gelaufene Füße.
Die Einteilung auf die Blocks sollte beginnen. In diesem Augenblick setzten die
Sirenen der Stadt ein. Alles blickte auf den Lagerführer.
»Weitermachen«, schrie Weber durch den Lärm.
Die SS und die Kapos rannten nervös durcheinander. Die Reihen der Gefangenen
standen still da; nur die Gesichter waren etwas angehoben und schimmerten fahl
im Mond.
»Köppe 'runter!« schrie Weber.
Die SS und die Kapos rannten die Reihen entlang und schrieen es nach. Sie
starrten zwischendurch selbst nach oben.
Ihre Stimmen gingen in dem Lärm verloren. Sie gebrauchten ihre Knüppel. Weber
ging, die Hände in den Taschen, am Rande des Platzes hin und her. Er gab keine
weiteren Anordnungen.
Neubauer kam herangestürzt. »Was ist los, Weber? Weshalb sind die Leute noch
nicht in den Baracken?«
»Die Einteilung ist noch nicht gemacht«, erwiderte Weber phlegmatisch.
»Einerlei! Hier können sie nicht bleiben. Sie können auf dem offenen Platz für
Truppen gehalten werden.«
Das Heulen der Sirenen änderte sich. »Zu spät«, sagte Weber. »In Bewegung sind
sie noch besser sichtbar.«
Er blieb stehen und sah Neubauer an. Neubauer bemerkte es; er wußte, daß Weber
erwartete, er würde zum Unterstand laufen.
Ärgerlich blieb auch er stehen. »Verdammter Blödsinn, uns die Kerle zu
schicken«, schimpfte er. »Unsere eigenen sollen wir durchkämmen, und dann
packen sie einem noch einen ganzen Transport auf den Hals! Widersinnig! Warum
wird die Bande nicht in ein Vernichtungslager dirigiert?«
»Die Vernichtungslager liegen wahrscheinlich zu weit im Osten.«
Neubauer blickte auf. »Wie meinen Sie das?«
»Zu weit im Osten. Die Straßen und Eisenbahnen müssen da für andere Zwecke frei
gehalten werden.«
Neubauer spürte plötzlich wieder den kalten Griff der Angst um den Magen.
»Klar«, sagte er, um sich selbst zu beruhigen. »Zum Aufmarsch an die Front. Wir
werden es ihnen schon geben.«
Weber erwiderte nichts. Neubauer sah ihn mißmutig an.
»Lassen Sie die Leute sich hinlegen«, sagte er. »Sie sehen dann weniger wie
eine Formation aus.«
»Zu Befehl.« Weber schlenderte ein paar Schritte vor.
»Hinlegen!« kommandierte er.
»Hinlegen!« wiederholte die SS.
Die Reihen fielen zusammen. Weber kam zurück. Neubauer hatte zu seinem Hause
gehen wollen; aber irgend etwas in Webers Haltung gefiel ihm nicht. Er blieb
stehen.
Auch so eine undankbare Kreatur, dachte er. Kaum hat man ihm das
Kriegsverdienstkreuz besorgt, da wird er schon wieder frech. Kunststück! Was
hat er auch schon zu verlieren? Die paar Stücke Blech auf seiner dämlichen
Heldenbrust, weiter nichts, der Landsknecht!
Es kam kein Angriff. Nach einiger Zeit ertönten die Entwarnungssignale.
Neubauer drehte sich um. »So wenig Licht wie möglich! Machen Sie etwas
schneller mit dem Einteilen auf die Blocks. Im Dunkeln ist doch wenig zu sehen.
Den Rest können die Blockältesten mit der Schreibstube morgen erledigen.«
»Zu Befehl.«
Neubauer blieb stehen. Er beobachtete den Abmarsch des Transports. Die Leute
richteten sich mühsam auf. Manche waren erschöpft eingeschlafen und mußten von
ihren Kameraden wachgerüttelt werden. Andere lagen da, zu erledigt, um noch
gehen zu
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