E.M. Remarque
scharten
sich um sie. Berger hatte vorher dafür gesorgt, daß alle anderen in Reihe
anstanden.
Erst dann brachten sie das Essen heran.
Sie stellten sich zusammen und begannen zu verteilen. Die Neuen hatten keine
Näpfe. Sie mußten ihre Portionen stehend essen und dann die Näpfe zurückgeben.
Rosen paßte auf, daß niemand zweimal kam. Einige der alten Insassen schimpften.
»Ihr bekommt die Suppe morgen zurück«, sagte Berger. »Sie ist nur geliehen.«
Dann wandte er sich an Sulzbacher. »Wir brauchen das Brot selbst. Unsere Leute
sind schwächer als ihr. Vielleicht wird morgen früh etwas für euch ausgegeben.«
»Ja. Danke für die Suppe. Wir geben sie morgen zurück. Wie sollen wir
schlafen?«
»Wir werden einige von unseren Betten frei machen. Ihr müßt sitzend schlafen.
Für alle ist auch dann kein Platz.«
»Und ihr?«
»Wir bleiben hier draußen. Später wecken wir euch und wechseln ab.« Sulzbacher
schüttelte den Kopf. »Ihr werdet sie nicht mehr herauskriegen, wenn sie einmal
schlafen.«
Ein Teil der Neuen schlief bereits mit offenen Mündern vor der Baracke. »Laßt
sie liegen«, sagte Berger und sah sich um.
»Wo sind die anderen?«
»Sie haben sich drinnen schon selbst Plätze gesucht«, sagte 509. »Im Dunkeln
kriegen wir sie nicht wieder heraus. Wir müssen es diese Nacht lassen wie es
ist.«
Berger blickte zum Himmel. »Vielleicht wird es nicht zu kalt. Wir können der
Wand dicht zusammen sitzen. Wir haben drei Decken.«
»Morgen muß das anders werden«, erklärte 509. »Gewalt gibt es in dieser Sektion
nicht.«
Sie hockten sich zusammen. Fast alle Veteranen waren draußen; selbst Ahasver,
Karel und der Schäferhund. Rosen und Sulzbacher und ungefähr zehn mehr von den
Neuen saßen bei ihnen. »Es tut mir leid«, sagte Sulzbacher.
»Unsinn. Ihr seid nicht verantwortlich füreinander.«
»Ich kann aufpassen«, sagte Karel zu Berger. »Es werden mindestens sechs von
den Unseren diese Nacht sterben. Sie liegen rechts unten neben der Tür. Wenn
sie tot sind, können wir sie hinaustragen und dann abwechselnd in ihren Betten
schlafen.«
»Wie willst du im Dunkeln herausfinden, ob sie tot sind?«
»Das ist einfach. Ich beuge mich dicht über ihre Gesichter. Man merkt, wenn sie
nicht mehr atmen.«
»Bis wir sie draußen haben, liegt schon einer von drinnen an ihrer Stelle«,
sagte 509.
»Das meine ich«, erwiderte Karel eifrig. »Ich komme und melde es. Und dann legt
sich gleich einer hinein, wenn wir einen Toten herausnehmen.«
»Gut, Karel«, sagte Berger. »Paß auf.«
Es wurde kühler. Aus den Baracken kamen Stöhnen und Schreckensschreie im
Schlaf. »Mein Gott«, sagte Sulzbacher zu 509. »Was für ein Glück! Wir dachten,
wir kämen in ein Vernichtungslager. Wenn sie uns nur nicht weiterschicken!«
509 antwortete nicht. Glück, dachte er. Aber es stimmte.
»Wie war es bei euch?« fragte Ahasver nach einiger Zeit.
»Sie haben alles erschossen, was nicht laufen konnte. Wir waren dreitausend ...«
»Das wissen wir. Du hast es schon ein paar mal gesagt.«
»Ja ...« erwiderte Sulzbacher hilflos.
»Was habt ihr unterwegs gesehen?« fragte 509. »Wie sieht es aus in
Deutschland?«
Sulzbacher dachte eine Weile nach. »Vorgestern Abend hatten wir genug Wasser«,
sagte er dann. »Manchmal gaben Leute uns etwas. Manchmal nicht. Wir waren zu
viele.«
»Einer hat uns nachts vier Flaschen Bier gebracht«, sagte Rosen.
»Das meine ich nicht«, sagte 509 ungeduldig. »Wie waren die Städte? Kaputt?«
»Wir sind nicht durch Städte gekommen. Immer außen herum.«
»Habt ihr denn überhaupt nichts gesehen?«
Sulzbacher blickte 509 an. »Man sieht wenig, wenn man kaum laufen kann und wenn
hinter einem geschossen wird. Züge haben wir nicht gesehen.«
»Weshalb ist euer Lager aufgelöst worden?«
»Die Front kam
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