E.M. Remarque
um die Fahrer zu warnen,
aber das Feld war bereits herum, alle waren an der Unglücksstelle
vorbeigekommen und kamen nun wieder, manche mit einem raschen Blick, die andern
die Augen starr auf die Bahn gerichtet.
Der Wagen Clerfayts
war nicht nur auf die anderen aufgefahren, sondern auch noch von hinten von
Monti angefahren worden. Monti war fast unverletzt. Er hinkte zur Seite.
Clerfayt hing in seinem Wagen, der hochgepreßt und dann gegen die Sandsäcke
geschleudert worden war. Sein Gesicht war zerschlagen, und das Steuerrad hatte
seinen Brustkorb eingedrückt. Er blutete aus dem Mund und war bewusstlos. Wie
Fliegen bei einem Stück blutigem Fleisch sammelte sich am Rande der Bahn die
Menge und starrte mit weiten Augen auf die Sanitäter und die Monteure, die
eilig begannen, Clerfayt herauszusägen. Vor ihm brannte ein Wagen. Leute mit
Feuerlöschern hatten das Wrack loszerren können und versuchten nun, es zu
löschen. Zum Glück war der Benzintank aufgerissen worden, und eine Explosion
wurde so vermieden, aber das Benzin brannte, die Hitze wurde unerträglich, und
das Feuer konnte immer noch übergreifen. Alle zwei Minuten kamen die Wagen
wieder vorbeigerast. Das Grollen der Motoren hing plötzlich wie ein finsteres
Requiem über der Stadt und schwoll an zu einem ohrenzerreißenden Heulen, wenn
die Wagen Clerfayt passierten, der wie an einem Pfahl blutig über der
Unglücksstätte in seinem hochgepreßten Wagen hing, beschienen vom fahlen Licht
des sterbenden Feuers im hellen Nachmittag. Das Rennen ging weiter; es wurde
nicht abgesagt.
Lillian begriff es nicht
sofort. Der Lautsprecher war nicht klar, die Stimme darin schien durch ihre
eigenen Echos unverständlich zu werden. Der Sprecher stand in der Aufregung zu
dicht am Mikrophon. Sie hörte etwas von Wagen, die aus der Bahn gekommen und
ineinander gefahren waren, weil ein anderer Wagen auf der Strecke Öl verloren
habe. Dann sah sie das Rudel an den Tribünen vorbeikommen. Es konnte nicht so
schlimm sein, dachte sie, sonst ginge das Rennen nicht weiter. Sie suchte nach
Clerfayts Nummer. Sie fand sie nicht, aber er konnte bereits vorbei sein, sie
hatte vorher nicht so genau darauf geachtet. Der Lautsprecher berichtete jetzt
etwas klarer, daß ein Unfall am Quai de Plaisance passiert sei – einige
Wagen wären zusammengestoßen, es habe einige Verletzte gegeben, keine Toten,
weitere Nachrichten würden folgen. Die Klassierung sei: Frigerio mit fünfzehn
Sekunden Vorsprung, Conti, Duval, Meyer III – Lillian horchte angestrengt.
Nichts von Clerfayt; er war Zweiter gewesen. Nichts von Clerfayt, dachte sie
und hörte die Wagen kommen und beugte sich vor, um die Zwölf zu sehen, den
roten Wagen mit der Zwölf.
Er kam nicht, und
in die taube Stille des Entsetzens, die sich in ihr ausbreitete, rollte die
fette Stimme des Ansagers: »Unter den Verletzten befindet sich Clerfayt, er
wird zum Hospital gebracht. Es scheint, daß er bewusstlos ist. Monti hat
Verletzungen am Knie und am Fuß, Marchetti ...«
Es kann nicht sein,
dachte etwas in Lillian. Nicht in diesem Spielzeugrennen, nicht in dieser
Spielzeugstadt mit dem Spielzeughafen und dem bunten Spielzeugpanorama! Es muß
ein Irrtum sein! Sein Wagen wird gleich von irgendwo herangeschossen kommen, so
wie damals bei der Targa Florio, etwas verspätet vielleicht, mit Prellungen und
Beulen, aber sonst heil und ohne Schaden! Doch während sie es dachte, spürte
sie, wie die Hoffnung hohl wurde, wie sie zerbrach, bevor sie sich gefestigt
hatte – bewusstlos, dachte sie und klammerte sich daran, was heißt das? Es
konnte alles heißen! Sie merkte, daß sie die Tribünen verlassen hatte, ohne es
zu wissen. Sie war
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